Triumph Tiger Explorer XCa 2016 Test

Harte Artenvielfalt englischer Endurokultur

5 Ausstattungsvarianten und über 50 Zubehörteile. Triumph rüstet die Tiger Explorer 2016 mit Kurven-ABS, schräglagenabhängiger Traktionskontrolle, Berganfahrhilfe, 5 Fahrmodi, 9 Fahrkomforteinstellungen und semi-aktivem Fahrwerk TSAS auf.

Nie zuvor musste ich meine Birne dermaßen anstrengen wie beim Pressetest der neuen Triumph Tiger Explorer in all ihren Farben und Formen. Gegen die Ausstattungs/Einstellungs-Matrix der unterschiedlichen Modellvarianten wirkt der Beweis der Gravitationswellen wie das Kleine Einmaleins. Um 19:30 Uhr im Hotel angekommen, durften wir von 20 bis 21:45 Uhr (Abendessen um 22 Uhr, Mahlzeit!) den Erläuterungen der Experten zu Technik und Design der edlen englischen Enduro lauschen. In schmerzloser Kürze möchte ich eingangs nur die fünf bei uns angebotenen Ausführungen erklären.

Modellvarianten Triumph Tiger Explorer 2016

Die Grundmodelle der beiden Familienzweige heißen XR und XC. Sie unterscheiden sich grundsätzlich nur durch die Guß- bzw. Speichenfelgen (10 / 32 Speichen) und verfügen serienmäßig über ABS, eine einfache Traktionskontrolle und ein elektrisch verstellbares Windschild. Beide tragen mit 120/70-19 und 170/60-17 die selben Reifendimensionen, als Erstausstattung wurden Metzeler Tourance Next in der Spezifikation "E" speziell für die Tiger entwickelt. Die XC gibt es als Basis aber in unseren Märkten gar nicht, sie fällt also weg. Die mittleren Ausstattungsvarianten mit dem kleinen "x" als Zusatz haben ein semi-aktives Fahrwerk, Kurven-ABS, Kurven-TC, Heizgriffe und einen Tempomaten (+weitere Kleinigkeiten).

Damit es aber nicht zu einfach wird, heißt die eine Topversion XRt und die andere XCa. Beide erhalten zusätzlich noch die Berganfahrhilfe, ein Reifendruckkontrollsystem und eine elektrisch verstellbare Touring-Scheibe. XCx und XCa schmücken außerdem ein Aluminium-Ölwannenschutz, ein Edelstahl-Kühlerschutz und ein beheizter Fahrer- und Beifahrersitz. Nur für die XCa gibt es schließlich zusätzliche LED-Nebenscheinwerfer und CNC-gefräste Fußrasten. Hier ist die Geschichte noch lange nicht zu Ende, bitte HIER weiterlesen, um mehr zu den Ausstattungen zu erfahren.

Triumph Tiger Explorer Low

Von der XRx und XCx bietet Triumph außerdem noch tiefergelegte Varianten an, mit niedrigerer Sitzbank und herabgesetztem wie eigens abgestimmtem WP-Fahrwerk. Während die Sitzhöhe normalerweise zwischen 837 und 857 mm variiert werden kann, liegt sie bei den LOW-Ridern zwischen 785 und 805 mm, also um ganze 52 mm niedriger. Das erleichtert die Zugänglichkeit für kleinere Personen erheblich. Mit 244 bis 258 kg Trockengewicht müssen allerdings auch sie zurechtkommen. Die XCa ist die schwerste Version mit 270 kg (inkl. Zubehör und 90% Kraftstoff). Das zulässige Gesamtgewicht beträgt bei allen Modellen 508 kg, die maximale Zuladung beträgt somit mindestens 238 kg (für die XCa).

Leistung Triumph Tiger Explorer 2016: 139 PS und 123 Nm

Der 1215 cc große, flüssigkeitsgekühlte und mit 12 Ventilen bestückte DOHC-Dreizylinder leistet nun 139 PS. Das Drehmoment liegt weiterhin bei maximal 123 Nm, allerdings will Triumph im unteren und mittleren Drehzahlbereich spürbar zugelegt haben, so liegen bereits bei 3.000 Touren 110 Nm an. Trotz EURO 4 gibt es also mehr Leistung und trotz mehr Leistung angeblich weniger Verbrauch. 5,3 l ist der neue Richtwert, was eine Einsparung von 5% gegenüber des Vormodells bedeutet.

Eine um 30% leichtgängigere Kupplung und Serviceintervalle von 60.000 Kilometer für den Kardan sollen dem Fahrer das Leben auf und mit dem Motorrad verschönern. Der Schrecken der EURO 4 löst sich endgültig auf, wenn auch noch der Auspuff von 6,25 auf 4,5 l geschrumpft ist.

Geometrische Änderungen für mehr Fahrdynamik

Geometrisch wurde der Lenkkopfwinkel steiler gemacht, der Nachlauf verkürzt und der bequemer gepolsterte Fahrersitz um 20 mm nach vorne versetzt, um die Dynamik der Bigenduro zu verbessern. Einen Upgrade erfuhren auch die Bremsen, die als monobloc Vierkolbenzangen von Brembo kommen und vorne auf 305 mm Scheiben beißen. Die Bremsleistung passt, nur an den Druckpunkt muss man sich erst gewöhnen, das Feingefühl ist nicht optimal. Eine 5V-USB und eine bzw. zwei 12V Steckdosen (bei x, a und t) dürfen auf einem Abenteuermotorrad ebenfalls nicht fehlen.

Des Fahrers Freunde: Fünf Fahrmodi

Insgesamt stehen bei den Topmodellen 5 Fahrmodi zur Verfügung: Road, Rain (100PS), Sport, Off-Road und "Fahrer", also frei konfigurierbar. Ich bin sehr dankbar, dass wir nur ein Modell fahren mussten, die XCa in Lucerne Blue, so hielt sich die Denk- und Moderationsarbeit, die diesmal ausschließlich im Helm stattfand, in Grenzen. Die XCa entspricht auch genau meinem Geschmack, mit den Speichenfelgen, Sturzbügeln und Rallye-Scheinwerfern. Nur ein Kofferset aus Aluminium und Schutzgitter an der Front haben mir noch gefehlt. Die Sitzhöhe lag bei meinem Modell auf der maximalen Höhe von 857 mm, trotzdem hatte ich einen sicheren Stand und keinen Bedarf, die breite Bank herunterzusetzen (Körpergröße 1.80 m).

3 Knöpfe für alles

Der Lenker ist angenehm breit, die massiven, gefrästen Fußrasten schön wie funktionell und Details wie die 3D-Marken- und Modelllogos an den Seiten optisch ansprechend. Der qualitative Eindruck stimmt, das Vertrauen in die Nehmerqualitäten des Mittelschwergewichts auch. Es geht hier um einen Technologieträger, ein Flaggschiff, das wohl den Weg in die Zukunft weist und nicht weniger komplex ist als ein Supersportler. Um diese Flut an Features dem Fahrer überhaupt zumutbar zu machen, sind die unterschiedlichen Fahrmodi vordefiniert, auf von Technikern und Testern geprüfte Einstellungen, die das Ansprechverhalten des Motors, das Regeln von ABS und Traktionskontrolle und die Fahrwerkseinstellungen des TSAS (Triumph Semi Active Suspension) beeinflussen. Alles, woran der Lenker denken muss, ist, wie die drei Knöpfe zur Steuerung der Systeme über den Bordcomputer zu bedienen sind.

IMU wie im Supersport

Wie bei den Superbikes wird auch hier mit einer IMU gearbeitet, die Lageveränderungen und Beschleunigungen in allen drei Achsen misst und danach die Wirkung der Assistenzsysteme berechnet. Das System kann sogar selbst erkennen, ob sich das Motorrad on- oder offroad bewegt. Dazu braucht es 6 Sekunden. So wird vermieden, dass nur aufgrund einiger Fahrbahnunebenheiten oder bei der Kreuzung einer Schotterstraße o.Ä. der Fahrmodus umspringt. Das hat tatsächlich funktioniert. Ein weiteres Plus des TSAS: Der Fahrer kann in jedem Modus die Komfortstufe in 9 Schritten individuell anpassen; das heißt, man kann auch im Offroad mit straffer und auf der Straße mit weicher Abstimmung fahren.

Dampfbügeleisen für die Straße: Semi-aktives Fahrwerk

Das semi-aktive Fahrwerk streicht wie ein Dampfbügeleisen über Asphaltdecken und Schotterteppiche und glättet Fehler und Falten zu einem feinen Flausch. Es ist beinahe unglaublich, wie sanft und elegant die Tiger über Kopfsteinpflaster schleicht. Der hohe Komfort hat aber auch Einfluss auf die Transparenz unter Dauerfeuer. Reizt man das zahme Kätzchen nämlich, wird daraus schnell ein aggressives Raubtier. Dann zeigt die Tiger ihr Hyde-Gesicht, kriechen rassiger Rennsport und scharfer Streetfightercharakter aus ihr heraus. Es mag Artgenossinnen geben, die noch mehr Leistung bei weniger Gewicht haben, aber das Gefühl, dass sich beim Hochdrehen des rau kreischenden Dreizylinders im Körper ausbreitet, kriegst du auf keiner anderen. Das Handling ist zwar nicht hyper-agil, aber ausgeglichen und berechenbar und das ist mir auf einer straßenorientierten Reiseenduro ehrlich gesagt lieber. Im Grenzbereich hätte man allerdings gerne etwas mehr, direktes Feedback.

Fahrassistenzsysteme, die assistieren, nicht sekkieren

Da für Pressepräsentationen selten Straßen mit schlechtem Asphalt ausgesucht werden, konnte ich auch Traktionskontrolle und ABS kaum aus der Reserve locken, was ich positiv bewerte, denn nichts ist schlimmer als Fahrassistenzsysteme, die nicht assistieren, sondern sekkieren. Überzeugt haben mich die Systeme dann im Offroad, also auf der Schotterpiste, wo es nicht nur die Traktion, sondern vor allem die Verzögerung war, die mich richtig fasziniert hat. Es ist ganz klar, dass diese Technik nicht die Freiheit des Menschen einschränkt, sondern seine Möglichkeiten erweitert.

Wer bisher gar nicht oder nur ungern mit seinem Motorrad befestigte Straßen verlassen und das Abenteuer abseits altbekannter Wege gesucht hat, dem schenkt die Triumph Tiger Explorer endlich jenes Vertrauen, das er sich selbst nicht zu geben imstande war. Während die Bremse kombiniert funktioniert, also bei Betätigung des Handbremshebels hinten mitgebremst wird, kann man im Offroad-Modus mit dem Bremspedal jederzeit das Hinterrad blockieren, wovon vor allem versierte Enduristen Gebrauch machen werden.

Weiße Kittel wissen, was sie tun

Der Bordcomputer ist nach einer verhältnismäßig kurzen Einführung über drei Knöpfe intuitiv zu bedienen und man beginnt, sich immer öfter damit zu spielen - was man natürlich während der Fahrt nicht tun sollte. Im Grunde kann der Großrechner ohnehin viel zu viel und man wird als stolzer Besitzer schnell die für seine Bedürfnisse passenden Einstellungen herausgefunden haben und immer wieder darauf zurückgreifen, ohne das System ständig neu zu konfigurieren. Ich persönlich verlasse mich da gerne auf die voreingestellten Fahrmodi jener Damen und Herren im weißen Kittel, die im Bereich der Technik, Physik und Dynamik etwas mehr Ahnung haben als der Maturant eines humanistischen Gymnasiums.

Zum Schluss noch zur Berganfahrhilfe: Ich habe sie nicht freiwillig probiert, aber sie wurde mir erklärt. Bremshebel stark ziehen, auslassen und das Fahrzeug steht. Je steiler die Straße, desto mehr Gas muss man geben, damit sich die Bremse wieder löst. Logisch. Aber soweit bin ich noch nicht. Da geht auch mir die Technik etwas zu weit.

Farben Triumph Tiger Explorer 2016:

  • XR: Crystal White, Phantom Black
  • XRX: Crystal White, Lucerne Blue
  • XRT: Crystal White, Lucerne Blue, Cranberry Red
  • XCX: Crystal White, Lucerne Blue
  • XCA: Crystal White, Lucerne Blue, Matt Khaki Green

Preise Triumph Tiger Explorer Kofferset und Topcase

UVP bruttoUVP nettoUVP brutto (D)Diff.
(D) ALTNEUNEU*
A9500600Alu-Seitenkoffersatz Silber910,00 €617,65 €735,00 €-19,20%
A9500601Alu-Seitenkoffersatz Schwarz960,00 €663,87 €790,00 €-17,70%
A9500530Alu-Top-Box Silber470,00 €323,53 €385,00 €-18,10%
A9500606Alu-Top-Box Schwarz495,00 €348,74 €415,00 €-16,20%

*In Österreich gelten die dem lokalen Mehrwertsteuersatz entsprechenden UVP

Fazit: Triumph Tiger Explorer 2016

Triumph bietet mit der neuen Tiger Explorer verschiedene Modellvarianten mit umfangreicher Ausstattung an. Der qualitative Anspruch ist hoch, die Technik auf dem neuesten Stand. Der große Dreizylinder hat an Leistung nochmal zugelegt, soll dabei weniger verbrauchen und erfüllt trotzdem die EURO 4-Norm. Beim Hochdrehen entwickelt er regelrechten Rennsportcharakter und begeistert wie kein anderer Motor in diesem Segment. Die Fahrassistenzsysteme sind als solche zu verstehen und erweitern den Einsatzbereich vieler Fahrer, die vor allem im Offroad wenig Erfahrung haben. Nur bei flotter Fahrt aus Asphalt wünscht man sich von Bremse und Fahrwerk mehr Transparenz.


  • hoher Komfort
  • umfangreiche Technik
  • zahlreiche Ausstattungsvarianten
  • Low-Varianten
  • hoher Qualitätsanspruch
  • aufregender Motor
  • starke Bremsen
  • Transparenz bei Bremsen und Fahrwerk könnte besser sein
  • verwirrende Modellpolitik
  • Gefahr der technischen Überforderung von Kunden

Bericht vom 26.02.2016 | 36.356 Aufrufe

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