Husqvarna Factory Motocross Test 2015

Husqvarna FC 250 und FC 450 Werksmaschinen

Test der Factory-Bikes Husqvarna FC 250 und FC 450 von Harri Kullas, Max Nagl und Todd Waters. Winzige 450er und die schnellste 250er aller Zeiten.

Zum Start der 2015 MXGP-Saison waren Max Nagl und Todd Waters vom Red Bull IceOne Husqvarna Factory Racing Team noch auf 2015er FC 450 unterwegs, bis sich Nagl in Deutschland verletzte und Husqvarna rechtzeitig zum tschechischen GP das brandneue Modell an Waters lieferte. Das neue Factory-Bike war schlanker und leichter als das Vorgängermodell und als Nagl nach Wochen wieder in die Meisterschaft einsteigen konnte, war man auch auf seinen Umstieg vorbereitet. Doch der wollte sich nicht sofort umgewöhnen und stieg erst zum Motocross der Nationen Ende September auf sein neues Gefährt, das für ihn fast genauso neu ist wie für uns.

Nagls winzige FC 450!

Wenn man zum ersten Mal ein Bike besteigt, dann sind alle Sinne auf höchster Stufe. Wie fühlt es sich an, ist der Lenker zu breit oder zu schmal, zu hoch oder zu niedrig? Man hüpft am Sitz auf und ab und denkt, man könne erste Eindrücke vom Fahrwerk erlangen. Auf Max' FC waren aber eines sofort klar: Das ist die wahrscheinlich kleinste und niedrigste 450er, auf der ich je gesessen bin. Sie ist geradezu winzig. Der Pro Taper Lenker sitzt geduckt in der Aufnahme, die Hebel ragen sogar leicht nach oben. Der Sitz ist extra niedrig, das Heck hockt tief über dem Hinterreifen. Die Statur entspricht einer 85cc Großrad-MX. Team-Manager Antti Pyrhönen meint, dass Max als kleiner Fahrer einen sicheren Stand bevorzugt, wie auch eine weichere Abstimmung des Fahrwerks.

Probleme mit weichem Fahrwerk.

Für einen größeren, oder normal großen Fahrer gestaltet sich das Fahren mit dem Winzling etwas problematisch. In engen, ausgefahrenen Kurven reagiert das Bike unverzeihlich und wirkt fast so, als würde es dich abwerfen wollen. Nur in weiteren Kurven gab es keine Probleme. Das Fahrwerk ist tatsächlich ungewöhnlich weich, was mich besonders in schnellen Passagen vor Herausforderungen stellte. Beim harten Anbremsen tauchte die Gabel extrem ein und gab mit beim Einlenken ein indifferentes Gefühl. Ein grundsätzliches Problem, wenn ein Motorrad exakt auf einen Fahrer abgestimmt ist.

Der Motor hingegen war von ganz anderer Härte. Auf den kurzen Geraden war es unmöglich, ihn voll auszufahren, der dritte Gang war alles, was man hier brauchte. Auf Strecken wie Teutschenthal muss dieses Kraftwerk aber die ideale Waffe sein. Die Gasannahme ist trotzdem sehr weich und die Kraftentfaltung homogen. Man hat fast fass Gefühl, eine Traktionskontrolle an Board zu haben. Max ist ein Fahrer, der seine Kupplung verhältnismäßig selten benutzt, deshalb ist eine perfekte Kontrolle des Vortriebs besonders wichtig. Antti Pyrhönen: "Max braucht und liebt Drehmoment. Man kann ihm gar nicht genug davon liefern. Sogar beim Factory-Bike fragt er hin und wieder nach noch mehr Drehmoment. Er ist sicher einer der wenigen Fahrer, die mit dieser Power überhaupt umgehen können."

Die FC 450 hört sich auch verdammt gut an, besonders wenn man am Streckenrand steht und Max beim Fahren beobachtet. Plötzlich wird alles klar. Er ist zwar ein kleinerer Fahrer, aber was den niedrigen Lenker und die leicht nach oben gerichteten Hebel abgeht, so resultiert diese Geometrie auf seiner ungewöhnlich aggressiven Haltung auf dem Motorrad. Durch diese Auslegung erreicht er auch ein hochpräzises Handling. Ähnlich verhält es sich mit dem Motor. Er kann mit einem oder zwei Gängen auskommen und muss aus der Ecke raus nicht mit der Kupplung arbeiten, sondern steuert allein mit dem Gasgriff. Diese Auslegung erlaubt es ihm, sich hundertprozentig auf das Rennfahren zu konzentrieren. Und genau darum geht's ja schließlich.

Todd Waters FC 450

Die beiden Motorräder von Max Nagl und Todd Winters könnten unterschiedlicher nicht sein. Waters ist der Größere der beiden und deshalb kam mit die Ergonomie besser entgegen. Die Lenkeraufnahmen sind um 4 mm höher, der Lenker selbst um 7 mm. Das Fahrwerk ist straffer abgestimmt, sodass man nicht sofort einsinkt, wenn man sich draufsetzt. Sofort in der ersten Runde merkte ich, dass mit diese Abstimmung deutlich mehr entgegenkam als die von Max. Ich konnte präziser, entspannter und Fehler-verzeihender fahren. Nur auf den Unterschied bei der Motorauslegung war ich nicht vorbereitet.

Während Max mehr auf Drehmoment setzt, arbeitet Waters mit Drehzahl. Seine 450er fühlt sich fast wie eine 350er an. Antti Pyrhönen: "Max fährt derzeit eine Übersetzung von 14/52 und Todd eine 14/49. Die nutzen deshalb ihre Gänge anders. Todd fährt 2, 3 und 4, Max nur 3 und 4. Außerdem ist für Max der Start ein sehr wichtiger Faktor." Auf der 450er von Max Nagl konnte ich einen Gang einlegen, meistens den dritten und war bestens bedient. Auf Todds Husqvarna war ich nicht nur ständig am Schalten, sondern auch am Überlegen, in welchem Gang ich mich jetzt überhaupt befand. Das war zwar mehr Stress, aber insgesamt kam ich mit Todds Bike besser zurecht. Faszinierend für mich war, wie extrem unterschiedlich man zwei Basismodelle ausbauen und abstimmen kann, dass sie wie zwei verschiedene Typen wirken. Doch nur so kann man aus Mensch und Maschine eine siegfähige Einheit machen.

Husqvarna FC 250 Factory 2015

Manchmal verliere ich mich darin, wenn es darum geht, etwas zu beschreiben, besonders dann, wenn es um Motorräder geht. Aber diesmal muss ich nicht viele Worte machen: Kurze gesagt ist die Wilvo Nestaan Factory Husqvarna FC 250 die schnellste 250er Motocross, die ich je gefahren bin. Wer maximalen Fahrspaß erleben möchte, der muss sich so ein Ding holen. Doch Moment, das kannst du ja gar nicht und ich auch nicht, das ist feinste Factory-Ware für die besten Pros der Welt. Also für Aleksandr Tonkov, der die Saison mit der FC 250 gestartet ist, und für Harri Kullas, der sie beendet hat. Die Balance und Perfekte Geometrie macht praktisch keine Anpassungen nötig, weder des Lenkers, noch der Hebel. Kullas änderte nur die Einstellungen am Fahrwerk, das er weicher stellte.

Die MX-Strecke in Veldhoven ist nicht die sandigste Strecke in Holland, aber dennoch eine kraftzehrende. Die Husqi liefert eine sanfte, gleichmäßige Kraftentfaltung, aber wer im dritten Gang voll einschenkt, der hat plötzlich eine böse Boden-Luft-Rakete unterm Hintern. Sie schiebt und schiebt und schiebt...bis man aufgibt und nicht mehr anders kann, als das Gas zuzudrehen. So etwas habe ich noch nicht erlebt. Es fühlte sich exakt so an wie eine 350er, echt beeindruckend. Gleichermaßen erstaunt war ich dann darüber, dass das Handling so spielend leicht fiel. Obwohl das Team mit verschiedenen Systemen experimentierte, landete man am Ende wieder bei der klassischen Umlenkung.

Bei ihrem Debut in Pietramurata im April konnte sich das Team über den ersten Holeshot im allerersten Rennen freuen, eine Woche später stand Tonkov in den Niederlanden schon am Podium und kurz darauf folgte der erste Rennsieg in Italien. was die Entwicklung betrifft, so ist man bereits beim dritten FMF Auspuffsystem angelangt. Das Werksmotorrad ist schon jetzt eine Waffe für einen Weltmeistertitel. Die Frage ist nur, ob es früher, oder später passieren wird.

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Bericht vom 26.10.2015 | 12.965 Aufrufe

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