MV Agusta Brutale 910R

Gerhard macht kot am Speedweekend ein unmoralisches Angebot. Es wurde brutal, sehr brutal...

"Da. Kannst einmal durchreissen."

 

Stellt euch vor: Ihr trefft einen Mann, den ihr noch nie zuvor gesehen habt und seine Freundin ist zufällig die schärfste Braut aller Zeiten und Welten. Und anstatt extrem "haglich" auf sie zu sein, bietet euch der Unbekannte eine kleine "Proberunde" mit ihr an. Ein Traum? Unmöglich? Lächerlich? Mir ist es passiert.

Wie in meinem letzten Honda Speed-Weekend Bericht beschrieben, war ich abseits der Rennstrecke immer sehr alleine (eigentlich auch auf der Rennstrecke) und habe erst in letzter Zeit den sozialen Kontakt gesucht. Nach einzelnen netten Bekanntschaften traf ich nun in Brünn eine ganze Partie. Ein Mitglied dieser Partie ist der Gerhard.

Ich begegnete Gerhard mit seinen Freunden im Hotelrestaurant bei einem gediegenen Gläschen Wein. Na ja, eigentlich handelte es sich dabei um den grausamsten Schnaps aller Zeiten (schmeckte nach Tannenöl und Weihnachtsdekoration). Zu später Stunde, als ich schon leicht, aber wirklich nur leicht benommen war, nutzte Gerhard die Gelegenheit und machte mir ein unmoralisches Angebot. Leider hatte dieses Angebot nichts mit 1 Million Dollar und einem Hotelzimmer zu tun (da hätte ich sofort Ja gesagt), sondern mit einer Probefahrt einer MV Agusta Brutale R auf der Rennstrecke in Brünn. Da habe ich natürlich nicht sofort Ja gesagt. Ich erlebte eine unruhige Nacht, was nicht nur am Schnaps lag.

 

Ja, so sieht das aus, wenn man mit einem Schlag viel Geld verlieren könnte

 
Am nächsten Morgen war ich beunruhigt. Vielleicht sollte ich mich verstecken, so wie früher? Oder er hat es schon wieder vergessen. Oder es war nur ein Scherz. Wer ist schon so wahnsinnig und borgt seine 22.000 Euro teure Maschine auf dem Ring her? Doch es war kein Scherz, ich mußte da jetzt tatsächlich durch. Vor dem zweiten Turn sollte ich in der Box vorbeischauen und dann könnte ich ein paar Runden drehen. Ich spürte schon wieder den Schnaps....

 

Es führte also kein Weg dran vorbei. Ehe ich mich versah, saß ich auf der Brutale, so passend, als wäre sie nach meinen Maßen gebaut worden. Die Knie ducken sich unter den "Flügeln" am Tank, der Griff ist breit und macht dich zum Herr über deine Diva, die Sitzposition ist irgendwie genau richtig, so auch die Fußrasten.

Ich starte das 136 PS 4-Zylinder Aggregat und bekomme nicht richtig Angst. Erst, als ich die Kupplung minimal löse, ein ganz klein Bisschen am Gasgriff drehe und die Brutale einen deutlichen Satz nach vorne macht, erweitern sich meine Blutgefäße urplötzlich. Aha, Kurzhubgasgriff, wie mich Gerhard jetzt erst informiert. Absteigen und wegrennen? Nicht mehr möglich. Ich lege mir den Plan zurecht, den dritten Gang einzulegen und dann möglichst nicht mehr zu schalten. Der Plan ging tatsächlich auf. Ich wollte ja keinen Rekord brechen. Am aller wenigsten den des "schnellsten Privatkonkurses aller Zeiten".

 

Der Rahmen! Der Motor!

Schon in der ersten Kurve wird mir klar, daß das Fahrwerk hier und nicht anderswo zu Hause ist, in der dritten fühle ich mich so, als würde das Motorrad mir gehören und ich es in- und auswendig kennen. Jetzt bin ich beruhigt, da kann nicht viel passieren. Denke ich nur solange, bis mein Schatz bei 150 und Vollgas Anstalten macht, die Vorderhufe zu heben. Habe sie anscheinend nicht fest genug umklammert und bin zu aufrecht gesessen, dabei hat mich Gerhard extra auf dieses unziemliche Verhalten hingewiesen.  Man muss seine Italienerin schon im Griff haben.

Auf der Start-Ziel habe ich dann auf Anhieb 30 km/h mehr auf der Uhr und dabei bin ich eigentlich nur ein paar Besichtigungsrunden gefahren. Alles wirkt stabil, präzise, brutal. Das Gas reißt, die Bremse beißt und kot sch... sich an. So muß ein Motorrad sein, so böse wie das.

Es war sehr schön, trotzdem bin ich nicht unfroh, als ich wieder in die Boxengasse einbiege. Die Bella spuckt und hustet noch die letzten Flüssigkeitsreste aus ihrem Auspuff, was eine wunderbare Akustik erzeugt.

 

Zwei 320er Scheiben, 4-Kolben Radialzange

 
Ich habe in eingehendem Studium versucht, irgendwas an der Brutale zu finden, das keinen Designerpreis verdient hätte. Irgendwas Vernachlässigtes, dem keine Beachtung geschenkt wurde, quasi vom Lehrbub gestaltet. Meine Suche blieb ohne Ergebnis. Selbst die einzig hässliche Stelle am ganzen Motorrad, nämlich das Sammlergeschwür unter dem Motor, wurde durch die Montage der Racinganlage beseitigt. Da läuft jetzt alles ganz hemmungslos durch.

Das das kein Paradiesvogel ist, der zwar vorm Eissalon die Hasen reihenweise zur Balz ruft, aber auf der Rennstrecke die Patsch'n streckt, hat mir die Probefahrt deutlich gemacht. Sicher ein Winner für jedes Nakedbike Rennen, mit edlen Teilen, die sogar diesen Preis beinahe rechtfertigen.

 

Kein Tank ist schärfer. Schlangenleder?

Auf dem Sozius die Hasen vom Eissalon gleich mitnehmen

 
Gerhard weiß von drei weiteren Brutale 910R in Österreich, jede im Besitz von Leuten an der Spitze der Nahrungskette. Was in den meisten Fällen bedeutet, daß die guten Stücke nach dem Kauf selten Sonnenlicht sehen. Das heißt nicht, daß die Herren nur bei Nacht fahren, um den Lack zu schonen. Sie fahren gar nicht. Ist natürlich eine Unterstellung, kann sein, daß das alles motorradverrückte Andrücker sind. Aber ich garantiere, daß keiner so leiwand, verrückt, naiv, gestört, verzweifelt, selbstlos oder was-weiss-ich-was ist, mir seine Brutale zu borgen. Dabei war der Grund, warum er es getan hat, ein durch und durch kalkulierter: "Dann siach i mein Motorradl wenigstens auf 1000PS." So ein Ego, heast!

Vielen Dank Gerhard für diese unvergessliche Fahrt.

 

 

Technische Daten MV Agusta Brutale R

Motor 4 Zylinder Reihe
Kühlung Flüssigkeit
Bohrung/Hub 76 mm x 50,1 mm
Hubraum 909,1 ccm
Verdichtung 12,0 : 1
Ventilsteuerung DOHC
Ventilhub Einlaß/Auslaß 7,6 mm / 7,6 mm
Leistung 100 KW bei 11.000 U/min.
Drehmoment 96 Nm bei 7.900 U/min.
Kassettengetriebe 6 Gang
Federweg vorne 118 mm
Federweg hinten 120 mm
Reifen hinten 190/50 ZR17
Sitzhöhe 805 mm
Tankinhalt 19 l
Trockengewicht 185 kg
Preis 21.890 €

 

Interessante Links:

 

Text: kot
Fotos: kot, MV Agusta, Haliklik

Fazit: MV Agusta Brutale 910 R 2006

Der Name ist Programm. Ein Winner für jedes Nakedbike Rennen, mit edlen Teilen, die sogar diesen Preis beinahe rechtfertigen.


  • viel Leistung
  • optimales Fahrwerk
  • Stabilität
  • Präzision
  • starke Bremsanlage
  • tolles Design
  • hoher Preis
  • musst beherrscht werden

Bericht vom 27.07.2006 | 31.698 Aufrufe

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