Männerduell am Erzberg

Die ideale Gelegenheit für einen heldenhaften Abgang. KTM schickt die Journalisten mit der neuen Superenduro zum Start in die Königsklasse.

Bildungslücke Erzberg

Das irre Offroadevent am Erzberg geht in die 12. Runde und ich selbst war bis heute noch nie am Start. Im Jahr 2006 bot sich eine perfekte Gelegenheit diese Bildungslücke endlich auszufüllen. KTM lud nationale und internationale Journalisten ein, mit der neuen KTM 950 Super Enduro an den Start der Zweizylinder Königsklasse zu gehen. Bis auf zwei Schreiberlinge konnte jeder rechtzeitig eine passende Ausrede präsentieren. Nur NastyNils von 1000PS und Werner Jessner von der Autorevue zeigten Mut bzw. nicht genug Einfallsreichtum und stellten sich der Aufgabe.

Das eigentliche Kampf begann wie üblich schon Wochen vor dem Rennen. Werner Jessner zeigte sich als Großmeister der psychologischen Kriegsführung und setzte mir schwer zu. Die Furcht vor einer Niederlage war größer als je zuvor.

Dicker Knöchel beim Musical

Die Furcht vor dem Berg hielt sich noch in Grenzen. Bisher konnte ich jeden Motorradeinsatz ohne Verletzung über die Bühne bringen. Doch um meine Gattin vor dem "gefährlichen" Rennen auf den Berg milde zu stimmen, besänftigte ich sie mit einem gemeinsamen Musicalbesuch am Vorabend des Rennens. Saturday Night Fever in der Wr. Stadthalle war angesagt und während das Publikum den angeblich großartigen Tanzeinlagen Standing Ovations spendierte, bereitete ich dutzende Ausreden für eine drohende Niederlage vor. Wie gefährlich solche Tanzdarbietungen sein können, erlebte ich dann beim Verlassen der Stadthalle. Ich versuchte nur ganz kurz den ultralässigen Gang von Tony Manero zu imitieren und legte eine beeindruckende Slapstick Einlage über den gesamten Stiegenaufgang hin. Bänderzerrung und ein Knöchel so groß wie ein Germknödel waren die Folge. Perfekt! Sollte ich morgen verlieren, werde ich einfach den dicken Fuß aus dem Stiefel ziehen und die Ehre ist gerettet!

Es sieht schlecht aus für Dich....

Überaus vorbildlich das Verhalten meines KTM Ansprechpartners Martin die Wabe im Vorfeld des Rennens. Während man bei allen anderen Motorradmarken im Vorfeld einer Präsentation versucht, eventuellen Rivalitäten deeskalierend entgegenzutreten, wurde hier fest gezündelt. Martin am Telefon in der Früh vor dem Rennen: "Hallo Nils! Der Werner ist seit gestern da und trainiert am Berg wie ein Wilder. Er kennt die Strecke schon auswendig und wir mussten schon frische Reifen auf sein Bike aufziehen. Sieht sehr schlecht aus für Dich!"  Ich überlegte kurz umzudrehen, dachte dann aber an meinen Ausredenknöchel und fuhr weiter in Richtung Eisenerz.


Die einen fahren in die Hacke, der andere fährt hoffentlich einer Niederlage entgegen. Werner Jessner mit der Nummer 13.
Photo: http://www.gepa-pictures.com/

Der erste Kontakt

In Eisenerz dann mein erster Kontakt mit meinem Renngerät. Die Superenduro ist hoch, sehr hoch sogar. Ich erklomm mein Schlachtross und fuhr damit an den Start nach Eisenerz. Der Weg zum Start war mein einziges Training mit dem Bike vor dem Rennen. Den bärenstarken Motor kannte ich schon aus der 950er Supermoto und der 950er Adventure. Hier erlebte ich keine Überraschung mehr. An Leistung wird es nicht mangeln. Zum Glück hat die Superenduro auch eine perfekte Bremsanlage montiert. Das für eine Enduro relativ hohe Gewicht muss in den Kehren hinauf auf den Berg auch wieder eingefangen werden. Handling und Balance fühlten sich auf den ersten Metern ebenfalls sehr gut an.


Stars aber auch Hobbyracer werden bejubelt. Hier wird Giovanni Sala ins Rennen geschickt.
Photo: http://www.gepa-pictures.com/

Despres, Sala, Knight, NastyNils,...

Nett war dann die Startzeremonie in Eisenerz. Ich hielt die Programmzeitschrift in den Händen und ließ die Namen der Starter auf mich wirken: "Die Besten der Besten gegen den Berg! Startnummer 1: Cyril Despres - Dakar Sieger, Startnummer 2: Simo Kirrsi - Cross Country Hero, Startnummer 3: Giovanni Sala - zigfacher Enduroweltmeister, ... Startnummer 11: Nils Müller - Opfer, Startnummer 13: Werner Jessner ..." Topstars wie Sonntagsracer wurden nacheinander aufs Podium geholt und vom Publikum herzlich gefeiert und starteten die Fahrt durch Eisenerz. Am Fuße des Erzberges dann der Start der Zeitmessung. Die Piloten wurden im Minutentakt auf den Berg geschickt. Inmitten der Weltelite durfte auch ich den Schotter beim Lichtschranken spritzen lassen.

Der Motor drückt zweimal an!

Die Fahrt auf den Gipfel bot einige Überraschungen. Sowohl das Motorrad als auch die Streckenführung waren zwei große Unbekannte für mich. Die Schotterstraße auf den Gipfel war leider keine Spazierfahrt. Unglaublich wie anstrengend 11 Minuten mit einem PS-Monster auf losem Untergrund sein kann. Meine Taktik war klar: Übervorsichtig ohne Sturz auf den Berg kommen. Denn der überehrgeizige Jessner bohrt die 100PS Waffe sicher einmal in den Berg und so wird eine risikolose Fahrt auf den Gipfel für einen Sieg im Duell reichen. In den Kurven riskierte ich nichts, dafür dachte ich auf der Geraden weder an Frau und Kind. So kam ich gefahrlos halbwegs schnell ins Ziel. Den Punch des Motors konnte ich jedes mal gleich doppelt erleben. Das erste Mal als ich den Gashahn öffnete und der Motor in jedem Gang gierig und rapide die Maximaldrehzahl erreichte. Das zweite Mal als der Hinterreifen irgendwann genug Traktion aufbaute und das Motorrad mit gewaltigem Druck nach vorne katapultierte. Festhalten und genießen!


NastyNils beim ersten Turn. Zitat Kot zum Foto: "Sieht aus, als würde ein 14 Jähriger mit der Derbi übern Acker wetzen."
Photo: Herwig Peuker

3 Gänge im Begrenzer

Die Pause bis zum zweiten Turn verbrachten viele Piloten mit kurzem Training auf diversen Seitenstrassen im Erzberggelände. Ich investierte die Zeit lieber ins KTM Buffet. Traktion am Hinterrad ist wichtig und 3 Gänge im Begrenzer am Buffet sind immer noch besser als jeder Gang im Begrenzer mit durchdrehendem Hinterrad am Berg.

Totaler Einsatz im zweiten Turn

Nach dem sturzfreien ersten Lauf wollte ich einen High-Risk Turn mit viel Vollgas und wenig Furcht in den Schotter meißeln. Ich gab wirklich oft Vollgas, ich bremste spät, bemühte mich sehr und war am Gipfel vollkommen sicher:  Das muss eine ganz irre Bestzeit geworden sein! Mindestens 1 Minute schneller als der erste Turn. Die Ernüchterung dann am Ergebniszettel. Ganze 4 Sekunden waren der Unterschied zwischen Todesangst und Sonntagsfahrt. Echt merkwürdig wie unterschiedlich die Stoppuhr und mein Gehirn die Realitäten am Berg zur Kenntnis nahmen.


Im 2. Turn wesentlich aggressiver - dachte der Pilot
Photo: http://www.gepa-pictures.com/

And the Winner is....

Große Freude aber dann beim genauen Studium der Ergebnisliste. Sieger: David Knight auf KTM 950 Superenduro. Sehr gut. Theoretisch wäre also mit meinem Eisen der Sieg drinnen gewesen. Platz 42: NastyNils auf KTM 950 Superenduro. Was aber viel wichtiger ist: Platz 65: Werner Jessner auf KTM 950 Superenduro. Klar hatte der liebe Werner eine ewig lange Liste an Ausreden parat, "Zündaussetzer, Sturz, Vollmondphasen,...". Doch am Ende zählt nur die nackte Wahrheit am Ergebniszettel. Zumindest dann, wenn ich VOR meinem Gegner aufgelistet bin.

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Bericht vom 30.05.2006 | 6.924 Aufrufe

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