Ducati Diavel und Triumph Thunderbird Commander in den Alpen

Zwei beeindruckende Cruiser schlagen sich tapfer auf den Pässen.

Wie unterschiedlich man das Thema Cruiser interpretieren kann, zeigen die beiden Modelle Ducati Diavel und Triumph Thunderbird Commander: Während die Thunderbird die guten alten Tugenden eines Cruisers betont und mit viel Chrom und Speck auf den Hüften imponiert, macht sich die Diavel mit ihrem fast schon verschwenderischen Umgang mit Carbon auf zu neuen Ufern.

Vaulis Meinung:

Als jemand, der dem Cruiser-Segment zwar optisch einiges, fahrdynamisch aber kaum etwas abgewinnen kann, wähle ich für die Alpen mit der Ducati Diavel das geringere Übel. Das mag ziemlich hart klingen, um das gleiche Geld bekomme ich aber ein herrlich agiles Naked Bike, bei dem ich den Fahrtwind mindestens genauso gut inhalieren kann. Andererseits erstaunt es mich immer wieder, wie sportlich die Diavel trotz ihres ultrafetten 240er-Hinterreifens bewegt werden kann. Natürlich ist es Arbeit, den flachen Cruiser um Spitzkehren zu zirkeln, lässt man ihn aber ordentlich hinein kippen, geht das Ganze erfreulich flott vonstatten. Wer sich eine Diavel zulegt, wird damit ohnehin gut leben können, mit der mächtigen Walze im Heck hat man jedenfalls den Respekt der anderen bereits vor dem ersten Meter erkämpft.

Bei der Triumph Thunderbird Commander verschiebt sich das Verhältnis Optik zu Fahrdynamik noch weiter in Richtung Optik - von einem so mächtigen Cruiser erwartet niemand, dass er damit der Schnellste auf der Passstrecke ist. Wer möchte, kann zwar auch mit ihr enge Kurven flott nehmen, das frühe Schleifen der Fussrasten und das hohe Gewicht werden auf Dauer aber doch lästig. Positiv überrascht war ich von der Bremsanlage, die beiden 320er-Scheiben mit Vierkolbensätteln packen ordentlich zu und wirken auch bergab mit den fast 350 Kilo Lebendgewicht nicht überfordert. Daher müsste ich lügen, würde ich sagen, es hätte mir keinen Spass gemacht, um die Serpentinen zu schleifen und den Antritt des dicken Parallel-Zweizylinders auszukosten. Allerdings nicht auf Dauer - eine Thunderbird Commander bitte zum Flanieren, weniger für die Alpen.

Nils´ Meinung:

Eigentlich kann ich mit Motorrädern wie der Triumph Thunderbird Commander oder der Diavel wenig anfangen. Doch sobald ich aufsteige fühl ich mich wohl und wenn ich absteige und die Blicke der Passanten einfange werde ich geil. Als notorischer Angeber sind diese Bikes dann scheinbar doch meine Liga. Doch hier in den Alpen will ich es pragmatisch angehen. Wie fahren sich die Bikes? Die Diavel punktet im Vergleich zum Vorgängermodell mit einem besseren Ansprechverhalten vom Motor. Das geniesst man nun vor allem in den Spitzkehren. Aber immer noch ist die Diavel ein ganz untypischer Cruiser. Sie hat eine sehr sportliche Motorcharakteristik, was hier eben Vor- und Nachteile hat. Nur Vorteile haben die ausgezeichneten Bremsen und das hochwertige Fahrwerk. Das Einlenkverhalten ist auch hier in den Alpen angenehm. Auch als wenig routinierter Pilot, bringt man das Brutalobike angenehm auf den Pass hinauf. Viel Routine und Druck am Lenker braucht man aber, wenn man mit einer Nakedbike-Truppe mithalten will. Das geht, aber eben mit viel Einsatz am Lenker.

Die Thunderbird Commander präsentiert sich da ganz anders. Nicht was ihre protzige Erscheinung betrifft. Denn auch sie setzt beim Auftritt vor dem Cafe jenes Statement welches der Fahrer gerne selbst setzen würde. Im Fahrbetrieb gefällt mir der Motor wirklich irre gut. Viel Druck, aber nicht so teigig wie andere Cruiser Motoren, aber natürlich auch nicht so spritzig wie das Aggregat der Diavel. Hier in den Alpen aber ein grossartiger Motor mit viel Druck aus den Spitzkehren. Meine Kollegen unkten ein wenig über die Schräglagenfreiheit und das Handling der Maschine. Ich muss sagen, dass die Commander gut in die Ecken fällt und akzeptablen Speed zulässt. Es war auch so, dass ich im Sattel der Commander immer den Anschluss an die Nakedbikes halten konnte. Das hohe Gewicht im Vergleich zur Diavel störte mich nur in den Wechselkurven und beim Bremsen. Denn die Bremserei konnte im Vergleich zur Diavel nicht glänzen. Insgesamt hat es mir die Thunderbird Commander aber sehr angetan. Sie ist ein richtig eigenständiges Konzept, fährt gut, sieht gut aus und macht viele Motorradabenteuer mit.

Kots Meinung:

Während ich privat täglich im Spannungsfeld von entweder/oder-Entscheidungen zerrissen bin und mich mit Kompromisskonflikten quälen muss Uhr oder Urlaub, Winterreifen oder Wohnung heizen, Grillzange oder Zahnspange bin ich bei 1000PS in der glücklichen Lage, mich nicht zwischen, sondern nur für etwas entscheiden zu dürfen. Die in einem Bericht zu klärende Frage, welches der zu vergleichenden Motorräder mir am besten gefiele, ist zwar eine legitime und wichtige, aber für meine Realität irrelevante, weil folgenlose. Und weil ich keine Entscheidung zwischen mehreren Modellen fällen muss, fällt es mir auch oft schwer, es überhaupt zu tun. Denn wie der Vergleich der beiden Cruiser Ducati Diavel und Triumph Thunderbird Commander gezeigt hat, hat jedes Modell seine Vorzüge, seine Eigenheiten und seine Seltsamkeiten.

An der Thunderbird schätze ich den Komfort und den beherzten, aber beherrschten Antritt, eben englisch-souverän. Triumph hat sich beim Sitz einiges überlegt und ihn mit einer härteren und einer weicheren Schaumstoffmischung doppelt aufgepolstert. Die Sitzposition ist so entspannt, als würde man sich in ein bequemes Ledersofa fallen lassen. So erstürmt man zwar keine Gipfel und wird kaum eine Bergetappe für sich entscheiden, aber hier gewinnt schliesslich der Genuss. Ein Motorrad, das dir Geborgenheit schenkt und mit seinem weltgrössten Parallel-Twin sanft die Seele massiert. Ein Original aus Hinckley, das sich den Vorwurf einer Milwaukee-Kopie sicher nicht gefallen lassen muss.

Als dreiste Diva aus Bologna ist die Diavel die Antithese zum englischen Sir. Wild, unbeherrscht und seinen Fahrer nicht schonend, trägt das Teufelchen ein feuriges Herz geboren in der Hölle des Rennsports in sich. Der Testastretta aus den Superbikes leistet im Powercruiser furchteinflössende 162 PS und drückt 127,5 Nm auf die Kurbelwelle. Da braucht es schon einen 240er Hinterreifen, um die Bodenhaftung nicht ständig zu verlieren. Die Beschleunigung ist nicht nur ab-, sondern einzigartig, also mit nichts Anderem zu vergleichen. Zu ihr gibt es eigentlich keine Alternative, weil nichts, das diese Geometrie, diesen Antrieb und diesen Hinterreifen hat, auch über diese Beweglichkeit verfügt. Und erst der Sound! In den Alpen ist aber Leidenschaft mindestens so wichtig wir Leidensfähigkeit.

Fazit: Ducati Diavel Carbon 2014

Wie man es auch dreht und wendet, bei zwei so eigenständigen Cruiser-Prachtexemplaren ist es kaum möglich, einen Sieger zu küren. Rein von der Fahraktivität her hat natürlich die Ducati Davel die Nase vorne, vor allem im engeren Geläuf kommt ihr die bessere Schräglagenfreiheit und die sportlichere Sitzposition zugute. Dass sich diese beiden grundverschiedenen Motorräder dennoch im gleichen Segment tummeln, zeigt wieder mal, wie sehr es die Hersteller mittlerweile verstehen, jede noch so kleine und extravagante Nische mit interessanten Maschinen zu befüllen.


  • Ebenso kräftiger wie kultivierter Motor
  • brachialer Antritt
  • ausgefallene Optik
  • trotz breiten 240er-Hinterreifens agiles Handling
  • straffes Fahrwerk
  • sehr gute Bremsen
  • Schuhe/Stiefel werden bei flotter Fahrweise abgeschliffen
  • ruckelt im Schiebebetrieb
  • läßt kein gemütliches Cruisen zu
  • in der Carbon-Version sehr hoher Preis

Fazit: Triumph Thunderbird Commander 2014

Die Triumph Thunderbird Commander kann zwar mit den Fahrleistungen der Ducati Diavel nicht mithalten, überrascht allerdings noch mehr als die Italienerin mit ihrem agilen Auftritt. Erstaunlich, wie flott man trotz der schleifenden Trittbretter vergleichsweise stabil um die Kurven wetzen kann. Wenn es dann ganz eng wird, macht es immerhin mit der Diavel auch keinen rechten Spaß mehr. In Sachen Optik geht sie mit ihrem vielen Chrom den klassischen Weg und hält die Fahne für den typischen Cruiser hoch. Wir möchten jedenfalls weder die Ducati Diavel noch die Triumph Thunderbird Commander in der weitläufigen Motorradwelt missen!


  • Typische und edle Cruiser-Optik mit viel Chrom
  • Parallel-Twin mit enormem Drehmoment
  • bequeme Sitzposition
  • stabiles Fahrverhalten
  • gute Bremsen
  • Sehr hohes Gewicht
  • wenig Schräglagenfreiheit

Bericht vom 23.09.2014 | 19.729 Aufrufe

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