Harley Street 750 Test

Die neue Harley Street 750 im Test. Was kann das neue Einsteigerbike von den Amis?
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When I grow up, I wanna be a Harley. Aber das bist du doch schon, Kleine.
Optisch und fahrtechnisch ja, nur die Stimme will nicht so richtig passen.
 

Harley Davidson Street 750 2014 Test

Die neue Einstiegsklasse ins amerikanische Edeleisen. Etwas günstiger und etwas billiger.

Harley legt die Latte zum Einstieg in die Welt der amerikanischen Cruiser wieder etwas tiefer. Die teuren U.S. Toys hatten schon lange keine Absatzprobleme mehr, deshalb möchte man in Milwaukee die Möglichkeiten nach unten weiter ausloten und -dehnen. Die Japaner sind im Segment unter 1000 Kubik schon lange aktiv und erfolgreich, ich denke da nur an Dauerbrenner wie die Suzuki 800 Intruder (eine unserer einstigen Favoritinnen), die Honda Shadow, Kawasaki VN800/900 oder die neue, äußerst sympathische Yamaha XV950/R. Die Hersteller aus Fernost können diese Modelle zu durchwegs günstigen Preisen anbieten und liefern dabei ordentliche Qualität und saubere Verarbeitung. Nur eines können sie nicht liefern - den American Way of Life.


Japaner - No American Way of Life.

Harley hat ebenfalls die Sportster eine nicht nur gefühlte Ewigkeit im Programm, doch vor allem die 883 wurde lange Zeit als "Frauen-Harley" belächelt, was weder den Frauen noch den Motorrädern gegenüber fair war. Eine Sportster mag ja einfacher zu fahren sein als eine Electra Glide Ultra Classic, aber mit 260 Kilo ehrlichem Eisen ist selbst die 8er alles andere als ein Fliegengewicht. Als kleine Bobber, Scrambler und Café Racer begannen, populär zu werden, wandelte sich auch das Image dieser unterschätzten Baureihe und bald sah man jede Menge Hipsters, Websters und sogar Gangsters auf umgebauten Sportsters durch die Großstädte cruisen.

Auf diesen Trend reagierte Harley mit Sondermodellen wie 48 und Iron, die den dunklen Custom-Look frei Haus lieferten. Die Iron war bis jetzt die günstigste Harley und ist es nun die längste Zeit gewesen. Hier kommt die Street 750, noch günstiger und leider auch etwas billiger. Eigentlich gibt es ja auch eine 500er Version, doch die bleibt dem heimischen sprich amerikanischen Markt vorbehalten, wo sie vorwiegend als Fahrschulmotorrad eingesetzt werden soll.

Da fällt mir ein, heimisch gilt nur für USA und Kanada, die Street für alle außerhalb Nordamerikas wird zu 100% in Indien gefertigt und assembliert, nichts Neues, denn unter anderem lässt auch KTM dort produzieren. Konkurrenzfähig bleiben nennt man das.

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Der urbane Raum ist ihr Zuhause. Weniger Gewicht, mehr Leistung und ein spielerisches Handling


Die Street ist nicht eine noch kleinere Sportster, sondern eröffnet nach dem Vorbild eines Café Racers von 1977 (XLCR 1000) eine neue Designlinie. An der Front prägen ein schwarzes Miniwindschild und Faltenbälge an den Federbeinen die Optik, während das Heck spitz zuläuft und kaum den Hinterreifen umschließt. Zentrales und auch schönstes Element ist der flüssigkeitsgekühlte Motor, der den modernen Anspruch der neuen Baureihe definiert. Laut harley-scher Feld- und Marktforschung ist das junge Publikum sehr angetan vom Triebwerk der V-Rod, die noch immer eine Sonderstellung in der Modellpalette einnimmt und das sehr erfolgreich, weshalb man sich gegen einen Luftkühler entschied. Was fehlt, ist natürlich der typische Brabbel-Sound, den nur eine Harley aus ihren Rippen schüttelt. Der 749 Kubik große V-Twin läuft rund und ruhig, dabei leistet er 56 PS und stemmt ein Drehmoment von 60 Nm. Das bedeutet also mehr Leistung als die Sportster 883, aber um 10 Nm weniger Drehmoment, worauf es bei dieser Art von Motorrad besonders ankommt.

Das merkt man auch im Fahrbetrieb. Die Street ist flink und dynamisch, nur fehlt ihr etwas an Druck. Dafür kann man den Motor durchaus als drehfreudig bezeichnen und wer mit der Street die Streets der Stadt einmal verlässt, der fliegt mit bis zu 180 km/h (abgelesen vom analogen Geschwindigkeitsmesser) in die nächste. In engen Kurven und Ecken stellte mich das Ansprechverhalten nicht ganz zufrieden und das Handling stieß an seine Grenzen. Leider ist auch die Schräglagenfreiheit sehr beschränkt, man kann noch weniger umlegen als mit einer Sportster und stößt schnell auf Teile, die nicht nachgeben.

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Der Himmel wird grau, die Jacke wird blau. In Spanien erwartet man sich normalerweise Sonne, Sangria und Schnitzel. Harleyfahren ist aber eh gesünder.
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Der dunkle Teint der schwarzen Sportser-Modelle steht auch der Street 750 sehr gut. Miniwindschild und Heck verraten aber, dass ein Café Racer ihr Vorbild war. Das muss natürlich nicht so bleiben, an Zubehör wird es auch der Street nicht mangeln.

Galerie Harley Davidson Street 750 - hier klicken!

Form und Geometrie kommen unerfahrenen Käufern entgegen , ebenso kann man über den Komfort am nur 709 mm hohen Sitz nicht klagen, der Fahrer zumindest nicht. Eine Sozia muss schon von sehr schlanker Statur sein, wenn sie bis zum nächsten Schuhgeschäft mitfahren will. Nicht sehr ergonomisch sind die Hand- und Fußhebel platziert und verstellen lassen sie sich leider auch nicht. Ein ABS musste aus Kostengründen scheinbar gestrichen werden, selbst als Extra ist es nicht verfügbar. Während die Bremsen der neuen Tourer von Harley richtig gut funktionieren, erinnern die beiden Einscheibenbremsen mit Zweikolbenbremszangen an vergangene Zeiten; man sollte fest und gleichzeitig bremsen.

Fahrwerk und Motor zählen zu den großen Stärken der Street, Bremsen und Verarbeitung tun dies nicht. Obwohl es sich bei unseren Testmotorrädern um Vorserienmodelle handelte, ist nicht zu erwarten, dass die Serienversion deutliche Verbesserungen aufweisen wird. Auf den ersten Blick macht das Motorrad zwar einen guten Eindruck, bei näherem Hinsehen aber offenbaren sich schlampig verlegte Kabel, unsaubere Steckverbindungen und einige billige Plastik- und Eisenteile, die nicht den in westlichen Ländern gewohnten Qualitätsstandards entsprechen. Das ist bedauerlich, allerdings lebt die Hauptkundschaft für dieses Modell im asiatischen Raum, dessen menschliches Marktpotenzial an jungen Käufern unendlich groß ist.

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Modell 2015, verfügbar ab Herbst.

 

Mit der Street unterbietet sich Harley selbst und wird vielleicht zu günstig, um nicht schon wieder das böse Wort "billig" zu verwenden. Mit einer Sportster 883 bekomme ich eine vollwertige Harley, die alles hat, was eine Harley braucht. Über Jahrzehnte bedächtig und gekonnt gepflegt, überlegt weiterentwickelt, hat sie sich trotz Trends einen zeitlosen Charakter bewahrt. Die Street ist eher modisch, wirkt jung, aber weniger wertig und beständig. Fährt gut, überzeugt aber nicht in der Verarbeitung. Harley selbst sieht die Street - wie die meisten ihrer reduziert gehaltenen Modelle - (auch) als Basis für individuelle Auf- und Umbauten und bietet selbst passende Styling-Kits an, vom Paint-Job bis zu Edelfelgen. Die ersten Custombikes wurden bereits präsentiert und zeigen eindrucksvoll: Da geht was!

Klar, man muss Abstriche machen, wenn man noch weniger für eine Harley zahlen will. Erst im direkten Kontakt im Herbst 2014 wird sich zeigen, welche Abstriche die Kundschaft zu machen bereit ist.

 
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Im asiatischen Raum könnte sich die Street zum Kassenschlager entwickeln. In Europa muss sie sich gegen die Sportster und japanische Mitbewerber durchsetzen.


Text: kot
Fotos:
Harley

Fazit: Harley-Davidson Street 750 2014

Mit der Street unterbietet sich Harley selbst und wird vielleicht zu günstig, um nicht schon wieder das böse Wort "billig" zu verwenden. Sie ist eher modisch, wirkt jung, aber weniger wertig und beständig; fährt gut, überzeugt aber nicht in der Verarbeitung.


  • Gutes Fahrwerk
  • starker Motor.
  • Kein allzu harter Sound
  • Bremsen nicht allzu optimal
  • Schräglagenfreiheit beschränkt
  • schlampige Verarbeitung.

Bericht vom 04.04.2014 | 41.726 Aufrufe

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