S 1000 RR vs. S 1000 R

Schwesternduell. BMW S 1000 RR gegen S 1000 R. Zwei Motorräder, zwei Redakteure, eine Antwort?
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Im Profil sind beide gut gelungen, die asymmetrischen Scheinwerfer aber spalten nach wie vor die Gemüter.
 

BMW S 1000 R gegen S 1000 RR

Was sich so ähnlich ist, muss sich unterscheiden.

Über die S 1000 RR war hier schon genug zu lesen. Eigentlich. Wir hatten sie nicht nur als Dauertester im Fuhrpark, sondern sogar in unserem Besitz, wo sie sich immer noch befindet. Als die Bayern die Hemdsärmel hochkrempelten, um den Japanern, Italienern und Österreichern zu zeigen, wo der Barthel den Most herholt, indem sie den stärksten Supersportler der Welt (nicht nur Bayerns, der ganzen Welt) aus dem Trachtenhut zauberten, war das Entsetzen groß. Auch wenn sie damit nie die Superbike WM gewinnen konnten, so räumten sie in den letzten Jahren haufenweise Preise in Vergleichstests ab. Nur zwei Fragen blieben lange unbeantwortet. 1.) Wann kommt eine nackte Version der S 1000 RR? 2.) Wie würde ein Vergleich zwischen den beiden Schwestern ausfallen? Die erste hat BMW selbst beantwortet, die zweite beantworten wir.

 


kot: Respekt ja, Angst nein.

kot: Von Anfang an hatte ich großen Respekt vor der S 1000 R. Berichten von Kollegen zufolge wäre leistungsmäßig kaum ein Unterschied zur Supersport-Schwester festzustellen, mit 193 PS superpotent ausgestattet. Auf 33 PS muss die S 1000 R verzichten, nicht aber auf das maximale Drehmoment von 112 Nm. Unter 8000 Touren stehen dem Vierzylinder sogar 10 Nm mehr an Drehmoment zur Verfügung als der Rennmaschine. Das ist deutlich zu spüren und vor allem aus Kurven und Kehren raus von Vorteil, allerdings bleibt das Fehlen von 17% Leistung auch nicht unbemerkt, weil die Angst ausbleibt. Respekt ja, Angst nein. Obwohl man innerlich schon leicht verunsichert wird, wenn der Akrapovic aufbellt, grunzt und schreit, denn der Motor ist kein friedlicher Familenfreund und glattgestrichener Gentleman, eher ein rauer Geselle mit kratzbürstigem Charakter. Zwar noch nicht unangenehm, aber durch den offenen Akrapovic (Zubehör) etwas zu laut, serienmäßig sicher erträglicher. Dafür sitzt es sich komfortabel und lenkt sich kinderleicht, woran einzig der Lenker Anteil haben kann, denn an der Geometrie wurde kaum etwas verändert. Trotzdem fühlt sich die R an wie eine RR auf Stelzen. Ein Trugschluss aufgrund der aufrechten Körperhaltung. Ohne Frage ist sie im Alltag bequemer, einfacher zu fahren, sicherer (ABS und Traktionskontrolle an Bord) und zieht mit ihrer zerschlagenen Optik, die dem Totalschaden einer S 1000 RR ähnelt, die Blicke auf sich. Auch sie polarisiert und genau das erwarte ich mir von einem Tausender-Nakedbike. Der sensationelle Preis ist das endgültige Argument für die S 1000 R.

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Gar nicht so leicht, die Schwestern zu unterscheiden, wenn man nur ihre Hintern sieht. Jener der nackten S 1000 R im Hintergrund ist etwas aufwendiger gestaltet. Unten: Der Auspuff war noch nie das Schönste an der RR, da passt ein Akrapovic schon besser ins Bild, sprengt aber schon fast die erträgliche DB-Skala.
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Vauli: Gute Miene zum schiefen Gesicht.

Vauli: Ein Naked Bike vom Superbike - BMW hat mit der S 1000 R grundsätzlich alles richtig gemacht. Denn die Unterschiede zum hauseigenen Superbike S 1000 RR sind nicht nur am Papier äußerst gering. Am meisten überrascht mich sehr positiv, wie vehement die Nackte von weit unten antritt. Mag schon sein, dass so manche Zweizylinder-Konkurrentin sich noch ärger anfühlt, die S 1000 R steht aber ihrer Superbike-Schwester - immerhin die Königin ihrer Klasse - in nichts nach, man spürt keinerlei Schwäche gegenüber der RR. Eher im Gegenteil, durch die aufrechtere Sitzposition wird auch das Vorderrad schneller leicht und lässt sich nur durch die ausgeklügelte Elektronik auf den Boden der Realität zurück holen. Beim Komfort hätten sich die Bayern aber etwas mehr vom Superbike entfernen dürfen. Der Sattel ist trotz seiner sportlichen Optik zwar erstaunlich weich, das Fahrwerk dämpft aber dann doch ein wenig zu hart für ein Naked Bike. Es soll offensichtlich alles ganz nahe an der S 1000 RR bleiben, denn auch die Bremsanlage entspricht ziemlich unverändert den Stoppern des Superbikes - und macht damit wohl auch auf diversen Rennstrecken eine gute Figur. Glück für die Nackte ist, dass die RR selbst schon ein gewisses Maß an Alltagstauglichkeit bietet und somit auch die R die Hürden des Alltags locker schafft. Ganz konsequent lehnt sich auch die Optik der S 1000 R an jene des Superbikes an, allerdings wirkt das schiefe Gesicht bei weitem nicht so gelungen wie bei der RR.


kot: High Performance und maximale Sicherheit = Supersport.

kot: Je höher die Geschwindigkeit, desto näher möchte ich dem Boden sein. Um die aerodynamischen Kräfte zu minimieren, klammert man sich auf Highspeed-Passagen ohnehin reflexartig dicht ans Motorrad, wobei die Anzahl der Quadratzentimeter von Verkleidung und Windschild über die Stärke der Umklammerung entscheidet. Einen Supersportler muss man nur fest drücken, mit einem Nakedbike muss man verschmelzen. Insofern begrüße ich es, dass ich mich hinter einem Windschild verstecken kann, wenn 193 Pferde lostrampeln. Wenn es um High Performance und maximale Sicherheit geht, vertraue ich ohnehin am liebsten einem Supersportler mein Leben an. Ich kann mir zwar ein Leben ohne elektronische Notsysteme durchaus noch vorstellen, doch wenn man sie schon mal hat, wieso darauf verzichten? Sport-ABS, Traktionskontrolle und ESA sind sinnvolle und die Souveränität des Fahrers nicht untergrabende, sondern unterstützende Features. Besser gesagt setzen sie genau dort ein, wo die Souveränität des Fahrers endet und er droht, die Kontrolle zu verlieren. Bei fast 200 PS kein unerwünschter Nebeneffekt. Dadurch verliert ein 1000er Supersportler nicht an seiner Faszination und immer noch stellt er alles in den Schatten, was so auf zwei Rädern kreucht und fleucht; der Hauptgrund, sowas noch im öffentlichen Verkehr zu fahren. Wer ein bisschen leidensfähig ist, muss sich von nichts und niemandem auf der Straße etwas gefallen lassen.

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Supersport bedeutet Nähe zum Asphalt, und zwar nicht nur physisch. Größtmögliche Transparenz.
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Hangtime. Turnübungen sind auf dem Nakedbike leichter durchzuführen und auch das Handling ist deutlich weniger sperrig als bei der RR.

Vauli: Heizgriffe im Supersport: Na und?

Vauli: Die BMW S 1000 RR fasziniert mich immer noch unglaublich, obwohl sie mittlerweile auch schon einge Jährchen am Buckel hat. Allerdings spielt sie nach wie vor die erste Geige bei den Superbikes - einfach herrlich, wie locker 193 PS aus dem Ärmel geschüttelt werden können. Ebenso erstaunt mich nach wie vor, dass die S 1000 RR trotz ihrer 600er-Geometrie so stabil fährt und sogar ein gewisses Maß an Komfort bereit hält. Das fällt vor allem im direkten Vergleich mit der nackten Schwester S 1000 R auf, die zwar dank des höheren Lenkers eine bequemere Sitzposition hat, beim Fahrwerk aber fast schon zu hart wirkt. Apropos Komfort: Als Klassensprecher hat es sich die S 1000 RR sogar erlauben können, Heizgriffe ins Superbike-Segment zu bringen - und plötzlich regt sich keiner mehr darüber auf. Ein weiterer Grund, warum ich mich auf der S 1000 RR so wohl fühle, ist die tadellose Funktion der Elektronik-Gimmicks. Nichts ist schlimmer, als Helferlein, die dich im falschen Augenblick im Stich lassen. Bei der BMW spielen ABS und Traktionskontrolle aber in einer eigenen Liga. Man merkt die (je nach Einstellung) sanften Eingriffe nur am Rande, kann sich aber vorstellen, wie gut die Systeme in brenzligen Situationen funktionieren werden. Schließlich schafft die S 1000 RR zumindest bei mir auch noch die höchste Hürde - die Optik ist ein Hammer. Na gut, der Auspuffsammler unter dem Motor könnte schöner sein und eine Einarmschwinge aus italienischer Machart hat mehr Reize als die brave Konstruktion der Deutschen, das asymmetrische Gesicht war aber eine ausgezeichnete Idee - einfach anders als die Anderen.

Test S 1000 R

Test S 1000 R
auf der Rennstrecke

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Text: kot, Vauli
Fotos:
Grimm

Autor

Bericht vom 21.03.2014 | 18.292 Aufrufe

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