Thunderbird Commander

Triumph Thunderbird Commander Test in Kalifornien. Englische Machtdemonstration in der Neuen Welt.
Thunderbird Commander Test
 

Triumph Thunderbird Commander 2014 Test

Unwetter über Amerika. Die Triumph Thunderbird erschüttert das Land und jahrzehntelange Überzeugungen. Change your mind!

"Kommen Sie nach Kalifornien, ihr Motorrad ist schon dort. Steigen Sie in London nicht aus, selbst wenn Hinckley von Heathrow nur einen Hopser entfernt liegt. Wir bieten Ihnen das Beste aus Britannien auch auf amerikanischem Boden, fangfrisch angeliefert aus Georgia. Vielleicht wäre Milwaukee naheliegender und näher gelegen, doch laufen Sie nicht der Herde hinterher. Pfeifen Sie auf Pauschaltourismus, reisen Sie individuell mit Triumph!"

Der Chef behauptet ja immer, die Teilnahme an internationalen Pressetests in Italien, Frankreich, Spanien, Portugal und manchmal sogar Nordamerika wäre als Urlaub zu werten und würde dem Mitarbeiter nur eins abverlangen demütige Dankbarkeit. Tausende würden sich um diesen Job reißen, um über die kalte Jahreszeit ebenfalls den All-Inclusive-Motorradurlaub genießen zu können. Übersehen wird dabei nicht nur von ihm, daß es sich um lediglich 5 10 % unserer Arbeit handelt und die damit verbundenen Reisestrapazen nicht zu unterschätzen sind. So ist es keine Seltenheit, daß man für einen einzigen Fahrtag eine Reisezeit von 2 x 10 Stunden oder mehr kalkulieren muß. Für Amerika locker 2 x 20. Eine Kosten-Nutzen-Rechnung, die den Wert von ein paar Stunden mehr Sonne am Motorrad und ein 4-Gang Menü relativiert. Selbstverständlich ist es harte Arbeit und extrem anstrengend, doch manchmal muß auch ich zugeben, daß es im Urlaub kaum schöner sein könnte.


6 Tage Kalifornien - harte Arbeit.

Da es bis nach San Diego doch ein Stückchen weit ist und gleich zwei neue Modelle zu testen waren, wurden statt 3 einfach mal 6 Tage für die Durchführung anberaumt, mit 24-stündiger Akklimatisierungsphase nach Ankunft und vor der Heimreise einem ganzen Tag Zeit, um sich vom Paradies zu verabschieden. Das ist menschlich, vor allem aber professionell, schließlich handelt es sich hier um Arbeit, möchte ich nochmals betonen. Erster Fahrtag also erst an Tag 3, und was für einer. Vom Wetter versprach man sich anfangs nicht viel, 10 Grad und dichte Bewölkung vermochten die Winterdepression zunächst nicht zu kurieren.

Anders die Erwartungshaltung an das Motorrad. Wer so auftritt, mit weit aufgerissenen Augen, aufgeblasenem Brustkorb und dickem Hintern, der sollte nicht nur protzig posieren können. "It's not bragging if you can back it up" (Es ist keine Angeberei, wenn man es beweisen/bestätigen kann), rechtfertigte der große Muhammad Ali einmal seine provokante Prahlerei. Beim Anblick der Commander dachte ich sofort, dass Triumph dieser Spruch hoffentlich nicht unbekannt ist, denn anders als Ali kann man noch nicht behaupten, der Größte zu sein, sondern ist eher tapferer Herausforderer des amerikanischen Cruiser-Kingdoms.

 

Thunderbird Commander Fahrbild
Die Trittbretter, die die Grenzen der schrägen Welt bedeuten. Die Sportlichkeit der Commander ließe mehr Dynamik zu. Man hat ja auch immer das Gefühl, etwas kaputt zu machen.
Thunderbird Commander Fahrbild


Die Thunderbird-Baureihe ist jung und klein, selbst nachdem 2014 die bestehende Palette verdoppelt wurde; der 2009 vorgestellten Ur-Thunderbird folgte 2011 die Storm und nun eben Commander und LT. Der Doppelscheinwerfer täuscht eine nahe Verwandtschaft zwischen Storm und Cdr. vor, doch während Erstere noch den Trend mattschwarzer, militärisch-nüchterner Charmelosigkeit bediente, ist die Commander ein mondäner Monolith modernen Motorradbaus. (So, jetzt reicht's mit den Alliterationen.) Edles Detail am Rande: Die Konturen auf Tank und Fendern sind mit der Hand gezogen. Gibt's auch bei Rolly Royce ab 500.000 GBP. Außerdem erreicht sie mit 94 PS / 5400 U/min. und 151 Nm / 3550 U/min. nicht ganz die Leistungswerte der Storm, verfolgt aber ein anderes Ziel - gediegene Gemütlichkeit gepaart mit souveräner Sportlichkeit (Jetzt reicht's aber endgültig!)

Dass Triumph den größten Parallel-Twin der Welt mit 849,5 Kubik pro Zylinder gebaut hat, ist natürlich nicht einfach so passiert. Nur eine logische Konsequenz, wenn in der Rocket III schon der dickste Triple steckt und man ja sonst keine anderen Motoren baut. Die Vorteile der Motorkühlung, der besseren Gewichtsverteilung zwischen Vorder- und Hinterrad und der stämmigen Optik durch die parallele Zylinderanordnung nimmt man da gerne mit. Meister beider Klassen also und nicht feig, es mit den mächtigsten aufzunehmen. Es gehört schon eine satte Portion Selbstvertrauen dazu, einen großen Cruiser unter englischer Flagge auf amerikanischem Boden der internationalen Presse zu präsentieren.

Thunderbird Commander Federbein
Optisch kurz, technisch lang.
109 mm Federweg, oben eingeschalt.
Vorne stehen sogar 120 mm zur Verfügung (47 mm Showa-Gabel).
Thunderbird Commander Heck
Doppelt aufgepolsterter Sitz, auch für die Begleitung. Gut für den Hintern, schlecht für die Optik. Trotz cleverer Änderungen am Rahmen blieb doch ein Zugeständnis an den hohen Komfort.

Details Triumph Thunderbird Commander (15 Fotos) - hier klicken!

Ein Schwergewicht ist die Thunderbird Commander mit einem Leergewicht von gut 350 Kilo auf einer Länge von 2442 mm allemal. Hinter der massiv-verkleideten 47 mm Gabel und dem mächtigen 22 Liter Tankbuckel kommt man sich vor, als würde man ein U-Boot der Typhoon-Klasse reiten. Nur die Nähe zum Asphalt auf einer Sitzhöhe von nur 700 mm holt dich aus der Traumwelt auf den Boden der Realität zurück. So ein Ding fährt sich nicht von allein und stehen bleibt es nur, wenn sich ihm ein Berg in den Weg stellt. Man muss schon wissen, mit welchem Kaliber man es zu tun hat, obwohl sich eine Thunderbird seit jeher überdurchschnittlich dynamisch bewegen läßt. Vielleicht der größte Unterschied zur Konkurrenz, der aus vielen weiteren resultiert.

Die Thunderbird Commander fühlt sich straffer an als die teils behäbigen und schwerfälligen Mitbewerber. Bei allem Komfort hält das Fahrwerk den Bomber auf den 17-Zöllern präzise auf Kurs und festigt das Vertrauen des Fahrers, dass auf eindeutige Kommandos eindeutige Aktionen folgen, falls es plötzlich etwas schneller gehen muss. Diesen Eindruck verstärken auch die Bremsen - 3 x 310 mm Scheiben, 2 x 4-Kolben vorne (Nissin), 2-Kolben hinten (Brembo) - die genau das sind, nämlich stark, etwas Handkraft vorausgesetzt. Das ABS kam überraschend spät, als ich versucht habe, es immer wieder aus der Reserve zu locken. Das Hinterrad blockiert sogar einen Moment, bevor es zu stottern beginnt, was kurze Slides und Quietscherl beim Anbremsen möglich macht. Das klingt fast schon zu dynamisch, doch die sportliche Auslegung geht nicht auf Kosten des Komforts, sondern Hand in Hand damit.


Dynamik und Komfort gehen Hand in Hand.

Der doppelt aufgepolsterte Sitz massiert wie ein frisch gemachtes Bett, das sich nie platt liegt, die Hinterbacken und Kronjuwelen. Wer hätte gedacht, dass die intensive Entwicklungsarbeit, die Triumph in den Polster gesteckt hat, so für den Arsch ist, also so verdammt angenehm. Um die Sitzhöhe möglichst niedrig zu halten, wurde sogar der Rahmen geändert, nicht die einfachste Übung im Motorradbau. Neu sind weiters Airbox und Schwinge, aber bleiben wir lieber sitzen und reden über's Sitzen. Sogar das kleine Pölsterchen (mit netter Thunderbird-Stickerei) zur Stützung der Steißgegend, wirkt wie ein orthopädisches Element. Eine Wohltat. Optisch passt die Sofalandschaft fahrerseitig noch hervorragend zum muskulösen Festkörper der Commander, der gleichermaßen gedoppelte Sozius stört allerdings meinen ausgeprägten Sinn für Ästhetik ganz erheblich. Da ich aber selbst auf Großdampfern wie diesem gerne alleine unterwegs bin, ist das für mich kein Problem, ich würde den fetten Lederschinken einfach entfernen.

Sonst noch neu: Die geraden, weit nach hinten gezogenen Auspuffrohre links und rechts der 200er Gummiwalze. Die Auspuffklappe sorgt bei höheren Drehzahlen für etwas mehr Sound, die Originalanlage ist trotzdem nicht zu akzeptieren. In Amerika wird man dafür ausgelacht, bei uns erntet man zumindest skeptische Blicke, weil man so eine große 125er wirklich noch nie gesehen hat. Zum letzten Mal und in aller Deutlichkeit, ein satter Sound gehört bei so einem dicken Cruiser einfach dazu. Ich rede nicht von Brüllen, ich rede von Bässen. Umweltschwätzer und Feinde von Freude und Spaß sind da anderer Meinung, die strengen Abgasnormen und Lautstärkeregelungen ebenso. Nachrüsten würde ich als eine Notwendigkeit bewerten.

http://www.motorrad-bilder.at/slideshows/291/010759/triumph-thunderbird-commander-lt-31.jpg
Du bist cool, wenn dein Motorrad cool ist. Ein passender Helm hilft auch enorm. So bleibt der Vorstellung Platz, dass einer von den ganz bösen Jungs drin steckt. Muss ja keiner wissen, dass sich dieses Monster fährt wie ein Pocketbike.
Thunderbird Commander Stilleben
Pinkelpause, na klar. Bleibt die Frage, was machen Telefonzelle, Bus und Haltestelle hier?
Und hätte ich den Peyote-Kaktus wirklich essen sollen?
 
Wenn man ins Barrego Valley eintaucht, ein Tal im allerweitesten Sinne, das den Bodensee in einem Zug zu schlucken im Stande wäre und danach nicht mal rülpsen müßte, wird selbst ein Titan wie die Thunderbird Commander sehr klein. In österreichischen Dimensionen nicht begreifbar, in amerikanischen nicht mehr als ein Fleckchen Erde bei San Diego um die Ecke, nicht der Rede Wert, doch in großen Worten kaum zu beschreiben. Think big, als Tourist geht der amerikanische Traum noch in Erfüllung, wenn man in dieser Traumfabrik auch oft beide Augen fest zudrücken muss. Würde man einem Staat alle ihm anzulastenden Vergehen zum Anlaß nehmen, nicht mehr in das Land zu reisen, auf dem dieser Staat gegründet wurde, wäre der Heimaturlaub auf Balkonien die letzte Reise, die man getan hätte.

Becoming a Monster.

Am Ende eines Tages mit vielen Twists und Turns streckt sich das Asphaltband wieder zu einer Geraden und der Fluß des Fahrens wird unterbrochen von bunten, vertikal angeordneten Lichtern, die zum Halten mahnen. Wir stehen am Ende der Freiheit, für die nächsten 30 Sekunden jedenfalls. Genug Zeit, um sich hinter der fast 1 Meter breiten Lenkstange in ein Monster zu verwandeln. Der Kopf senkt sich, die Schultern werden angehoben und die Griffe gestrafft. Ein schiefer Blick zur Seite genügt, um den Kollegen zum Gegner und den Highway zum Dragstip zu erklären. Das orange Licht verglüht langsam wie die Abendsonne hinter dem Pazifik. Sun down - Throttle up! Dann wird auch die Commander zum Monster. Wie sich das anfühlt...können Sie nur selbst erfahren. Dazu müssen Sie nicht einmal nach Kalifornien reisen.

 

Technische Daten Triumph Thunderbird Commander

Thunderbird Commander Cruising
Going nowhere, fast.


Text: kot
Fotos:
Triumph

Fazit: Triumph Thunderbird Commander 2014

Die Thunderbird Commander fühlt sich straffer an, als die teils behäbigen und schwerfälligen Mitbewerber. Bei allem Komfort hält das Fahrwerk den Bomber auf den 17-Zöllern präzise auf Kurs und festigt das Vertrauen des Fahrers, dass auf eindeutige Kommandos eindeutige Aktionen folgen, falls es plötzlich etwas schneller gehen muss.


  • Gute Motorkühlung
  • optimale Gewichtsverteilung zwischen Vorder- und Hinterrad
  • stämmige Optik.
  • Mögliches Quietschen bei einer Abbremsung,

Bericht vom 28.02.2014 | 19.563 Aufrufe

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