Ducati 899 Panigale

Test der neuen Ducati 899 Panigale am sakralen Asphalt von Imola.
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So schön, dass die Augen trocken werden. Und der Asphalt gleich dazu.
 

Ducati 899 Panigale 2014 Test

Die jüngere Schwester kann einem zum Verhängnis werden. Seitensprung auf Italienisch.

 
Am altehrwürdigen Asphalt von Imola haben schon Legenden ihr Ende gefunden und den Motorsport für immer verändert. Wenn sie deinetwegen den Verlauf von Rennstrecken ändern, neue Sicherheitsstandards einführen und den technischen Aufbau milliardenteurer Autos überdenken, hast du es geschafft, in den Himmel zu kommen.

20 schneeweiße Panigale für den Papst?

Senna war 34, als er am 1. Mai 1994 in der damals horrend schnellen Tamburello Kurve die Kontrolle über seinen Williams und infolge sein Leben verlor. Ich bin 36. Senna hätte ich also schon überlebt, so wie Bruce Lee und Jesus. Nur keine dunklen Gedanken, als wir am 10. Oktober bei stark bewölktem Himmel nach einer verregneten Nacht zur Rennstrecke am südwestlichen Rand von Imola verlegen. Und auch keine falschen Hoffnungen, denn die Boxencrew hat bereits die Regenreifen an ca. 20 schneeweiße Ducati 899 Panigale montiert, die auf dem roten Teppich in der Box so aussehen, als hätte der Papst um eine Audienz gebeten.

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Bleibt nur noch der bescheidene Wunsch, dass wenigstens die Lederkombi nicht nass wird. Der "Wet"-Modus wird nicht aus Angst, sondern aus Respekt gewählt; nur 100PS, um dem stolzen bologneser Personal zu zeigen, dass man sein Werk würdigt und es keinesfalls mit Gatsch und Kiesel einreiben will. Mangels Erfahrung mit Regenreifen bleibt die innere Stimmung negativ angespannt. Dass die Strecke bereits vom Pressetest der 848 Evo und 1198 SP bekannt ist, hebt allerdings das Selbstvertrauen gegenüber dem Leistungsvermögen anderer, unbedarfter Teilnehmer. Ich würde wohl wenigstens der Einäugige unter den Blinden sein.
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Kommt der Papst?
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Die 899 Panigale mit Performance-Zubehör voll aufmagaziniert. Wir wollen euch den Anblick eines Tankrucksacks auf dieser Schönheit ersparen.

V2 plus 150 PS plus aqua = non buono.

Wenn ich mich recht entsinne, haben die Techniker für den Wet-Modus folgende Einstellungen getroffen: ABS und EBC auf Stufe 1 von 3, Traktionskontrolle auf Stufe 6 von 8. Obwohl ich schon seit Jahren davon ausgehe, in meinem Leben nie wieder etwas zu lernen und mein Gehirn täglich stundenlang mit seichter Fernsehunterhaltung berieseln lasse, bis ich nur mehr gaga sagen kann, so konnte ich doch den Bordcomputer von Ducati in kürzester Zeit durch Selbststudium und ohne vorangegangene Einführung bedienen. Er ist also wirklich einfach zu verstehen, weshalb bald jeder beginnen sollte, seine eigenen Einstellungen einzuspeichern. Beim ersten Turn auf nassem Asphalt verließ ich mich aber noch auf den weisen Rat der Techniker, die in den vergangenen Tagen bei entsetzlich schlechtem Wetter das ideale Set-Up in Erfahrung gebracht haben mussten.

Über den ersten Turn ist nur zu sagen, dass V2 plus 150 PS plus Italo-Diva plus aqua normalerweise non buono bedeutet. Aber die Panigale fuhr nur mit 2/3 Leistung und die Traktionskontrolle arbeitete zwar ständig, aber sehr fein und ruckelfrei. Sie beeinträchtigte meine Fahrweise nicht, sondern unterstütze sie im positiven Sinne, was im Regen besonders zu begrüßen ist. Dasselbe gilt für das Anti-Blockiersystem, das ich allerdings - wieder aus Respekt, nicht aus Angst - vorsichtiger provoziert habe, als die DTC.

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Beim Bremsen verlasse ich mich noch immer lieber auf die Elektronik in meinem Gehirn und das Gefühl in meinen Fingern. Leider fühlt sich die Bremse bei der Duc etwa so an, als wären die Fingerkuppen geschwollen. Ich habe es lieber direkter, weil der Bremshebel die wichtigste Verbindung zwischen mir und meinem Leben ist. Dass meine Impulse noch durch eine Reihe elektronischer Instanzen gehen müssen, wird mir womöglich für immer suspekt bleiben. Wichtig ist, dass die Bremse ordentlich greift und das tut sie. Die 320er Scheiben werden von Vierkolben-monobloc Sätteln von Brembo gezwickt. Das ABS funkt auch im Nassen nicht vorschnell und abrupt dazwischen. Die in Supersportlern verbauten Bremsassistenten regeln allesamt sehr fein und kaum wahrnehmbar, auch Ducati verläßt sich hier auf die Kompetenz von Bosch.

Runde um Runde schöpfe ich mehr Vertrauen in die Regenreifen und fahre eine weite, den Umständen entsprechend flotte Linie. Dafür reichen auch die 100 PS Leistung, die der Motor im Wet-Modus zur Sicherheit des Fahrers ausliefert. ABS und DTC lassen sich auch in diesem Modus abschalten, die Leistungsbeschränkung bleibt.

 

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In Imola ist man froh über jede Schikane, denn der Rest reicht, um nie wieder schlafen zu können.
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Der Vormittag wird mehr oder weniger heruntergebogen, weil alle auf den trockenen Asphalt warten. Ducati reagiert und verlegt den letzten Turn vor dem Mittagessen nach hinten. Trotz bedrohlich dunkler Regenwolken können wir um 14:30 Uhr mit frisch bezogenen Pirelli Diablo SC2 starten. (Ab Werk wird die 899 mit Diablo Rosso Corsa in 120/70 und 180/60! ausgeliefert) Volle Leistung, Sport Modus. Die Traktionskontrolle habe ich auf 3 runtergeregelt, ABS war sowieso schon auf der niedrigsten Stufe. 148 PS, endlich. Man darf sich jedoch keine Leistungsexplosion erwarten, der V2 gibt seine Kraft sehr gleichmäßig ab. Das bedeutet konstant hohes Drehmoment über ein breites Band, aber eben keinen echten Punch. Dabei leistet der Superquadro je nach Gang und Geschwindigkeit zwischen 19 und 23 Prozent mehr als der V2 der 848 Evo.

Entlastet die Eier.

So sexy die Panigale auch aussieht, sie fährt sich eher sanft als scharf, was nicht nicht schnell bedeutet. Die Big Piston Fork von Showa und das dezentral und horizontal montierte Sachs Federbein halten das Superbike präzise auf Kurs, der hochwertige Lenkungsdämpfer beruhigt das beim starken Rausbeschleunigen oft nervöse Vorderrad. Der Radstand hat sich gegenüber der 848 um 4 mm auf 1426 mm verkürzt. Das Handling ist spielerisch und selbstverständlich. Die Geometrie lässt viel Bewegung in entspannter Haltung zu, nichts ist im Weg oder bedarf einer Eingewöhnung. Der angenehm breite Lenker wurde um 10 mm nach oben versetzt und der Abstand zum Sitz um 30 mm verkürzt. Die Sitzbank selbst wurde stärker gefüttert, bietet mehr Halt und entlastet die Eier. Ein echter Wohlfühl-Supersportler, der Rennstrecken-Performance und Alltagstauglichkeit sehr gut verbindet.

Als ich endlich einen deutschen Kollegen eingeholt habe und zum Überholen ansetze, spielt die Panigale ihre wahren Qualitäten aus. Erst im Ländermatch-Blutrausch zeigt sich, was ein Motorrad wirklich kann. Da ich einige Runden brauchte, bis ich zu ihm aufgeschlossen hatte, blieb mir jetzt nicht mehr viel Zeit, um zu vollstrecken. Leider bin ich kein Vollstrecker und der Deutsche hatte keine Lust, sich im letzten Turn noch von mir richten zu lassen. In solchen Situationen handelt ausschließlich archaischer Automatismus, der Mensch denkt nicht mehr, er lenkt. 3 Runden Kopf-an-Kopf Rennen ohne ein erfolgreiches Überholmanöver meinerseits. Und trotzdem glücklich und zufrieden, weil in diesen Runden Mensch und Maschine zu einer Einheit wurden. Und das geht nur mit Motorrädern, die von Menschen gebaut werden, für die sie weit mehr sind, als nur Maschinen. Amen.

 
Technische Daten Ducati 899 Panigale

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Text: kot
Fotos:
Ducati

Fazit: Ducati 899 Panigale 2013

Ein echter Wohlfühl-Supersportler, der Rennstrecken-Performance und Alltagstauglichkeit sehr gut verbindet.


  • Angenehmes Fahrverhalten, gleichmäßige Kraftentfaltung, spielerisches Handling
  • Indirektes Bremsverhalten, kein besonderer Punch

Bericht vom 18.10.2013 | 28.752 Aufrufe

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