Yamaha XV950 Test

Erster Test der neuen Yamaha Sport-Heritage Cruiser XV950 und XV950R.
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Yamaha XV950 und XV950R Test Venice Beach

Testride der neuen Sport-Cruiser im bunten Farbtopf an der amerikanischen Westküste.

 

Als ich vor 26 Jahren zum ersten Mal in die USA gereist bin, war es eine Reise in die Zukunft. Ein Blick in eine Welt, wie sie hoffentlich auch bald die unsere sein würde, dachte ich. Alles war bunter, bigger und better. Mehr Auswahl, mehr Möglichkeiten und vor allem mehr wurscht. Zu kalt im Apartment? Einfach das Fenster öffnen, denn Bedienungsanleitung für die AC gab es nicht, sie war nämlich nicht regelbar. 95 Cent für eine Gallone (3.785 Liter) Benzin erklärten den Rest. Ich hatte noch Spaß in Disney und Sea World, baute Sandburgen am Strand von Florida, ernährte mich ausschließlich von Cheesepizza-Slices und brachte stolz mein erstes RC-Car mit nach Hause.

Als ich vor 21 Jahren zum zweiten Mal in die USA gereist bin, war es eine Reise in eine noch bessere Zukunft. Diesmal war ich alleine unterwegs und durfte tun und lassen, was ich wollte - oder durfte, was nicht viel war. Ich hing den ganzen Tag am Pool herum (wo ich die Wirkung des österreichischen Akzents auf American Girls erforschte), hatte Spaß im Six Flags Great Adventure, ernährte mich ausschließlich von Cheeseburgern und brachte stolz 8 Paar Turnschuhe und T-Shirts von Nike mit nach Hause.


Sieht gut aus, klingt gut, fährt gut?

Inzwischen war ich vier weitere Male in den "Staaten" und werde es mir nicht nehmen lassen, auch in Zukunft die Vorzüge dieses großartigen Landes zu genießen (wo die dort ja sowieso schon alles über mich wissen), selbst wenn ich heute eher das Gefühl habe, zurück statt in die Zukunft zu reisen. Die Zeit ist stehen geblieben und hat ihre Spuren hinterlassen. Als ich endlich am Strand von Venice Beach ankomme, könnte es auch 1987 sein. Nur der omnipräsente Duft glimmender Cannabis-Blüten erinnert den Jetlag-rigen Kopf daran, dass manches neu sein muss.

So wie dieses Motorrad mit dem luftgekühlten Motor, dem Doppelschleifenrahmen und dem auffällig tiefen Sitz vor dem Hoteleingang. Dass das nicht aus Amerika kommt, sondern aus Japan, ist für die Amis weniger ein Thema als für uns Europäer. Wenn es gut aussieht, gut klingt und gut fährt, ist das Logo am Tank zweitrangig. Dieses ist übrigens nur in sehr vereinfachter Form vorhanden. Kompromissloses Understatement ist hier Programm, Einfachheit wird zur Besonderheit.

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Japanische Zukunft inmitten amerikanischer Vergangenheit.
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Kein Heckrahmen, simple Formen, klassischer Stil.

Der 60° V-Twin ist keine Neuerfindung, sondern wurde aus der XVS950A übernommen, allerdings grundlegend überarbeitet und verbessert. Moderne Vierventiltechnik, eine 3D-Einspritzanlage, eine obenliegende Nockenwelle, geschmiedete, Keramik-beschichtete Aluminium-Kolben sowie dachförmige Brennräume verhelfen dem 942 Kubik großen Aggregat zu einem Drehmoment von 80 Nm bei nur 3.000 U/min. und einer Maximalleistung von 52 PS.

Auf das Hinterrad übertragen wird die Kraft per Riemen, der nur 21 mm breit ist und zwar etwas mickrig aussehen mag, aber durch einen Kern aus Kohlefaser äußerst stabil ist. Er stört auch den sauberen, harmonischen Gesamteindruck des Motorrades kaum, das aussieht, als würde es nur aus sehr wenigen Teilen bestehen. Der Motor wurde als mittragendes Element in den Rahmen integriert, während auf einen Heckrahmen verzichtet werden konnte. Vorne leuchtet zwischen einer 41 mm Telegabel (120 mm Federweg) ein simpler, runder Scheinwerfer über einen 100/90 19-Zöller auf einer 12-Speichen-Gussfelge Richtung Freiheit, hinten reicht dem 247 Kilo (ABS: 251 kg) leichten Bobber ein Gummi im Format 150/80-16, der von zwei Stoßdämpfern flankiert wird, die auf der "R" sogar mit einem Ausgleichsbehälter ausgestattet sind. Auch im Heck sind Blinker und Lichteinheit rund, wobei in letzterer 19 LEDs zusammenfasst sind. Sehr gut gefallen uns auch der formschöne Tropfentank, der dezente Luftfilter-Kasten an der rechten Seite und die mattsilbernen Schutzbleche mit ovalen Ausnehmungen an den Auspuffkrümmern.

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Ausgleichsbehälter, "Racing-Streifen" und ein Sitzbankbezug in Wildleder-Optik bei der XV950R. Versteht sich von selbst, dass sie die erste Wahl ist. Auch die beiden Farben Matt Grey und Camo Green treffen genau unseren Geschmack.
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Der Tank faßt 12,2 Liter. Die Länge der Etappen wird sich sowieso in Grenzen halten.

Objektiv betrachtet ergonomisch unvorteilhaft.

Mit einer Sitzhöhe von nur 690 mm unterbietet die XV950 sogar die Harley Sportster Superlow, dafür hat die Yamaha mit 1570 mm einen um 70 mm längeren Radstand. Die Nähe zur Straße führt automatisch zur Steigerung der Coolness. Den geraden Lenker zwischen die Lederfäuste geklemmt, die Beine fast bis auf Brusthöhe angewinkelt und ein leicht geduckter Kopf zwischen hochgezogenen Schultern, genau so muss man auf einem Cruiser sitzen. Obwohl wir mit dieser Körperhaltung normalerweise Verängstigung und/oder Unterwerfung assoziieren würden, ist es ein erhabenes Gefühl so zu fahren. Zumindest die ersten 100 km lang. http://www.motorrad-bilder.at/slideshows/291/009804/yamaha-xv950-bolt-test-108.jpg
Komfort sieht anders aus. Aber echte Cowboys reiten das.
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Eine analoge Geschwindigkeitsanzeige hätte uns besser gefallen. Die LCD Anzeige war in der Realität viel schlechter ablesbar als hier dargestellt.
 
Denn Komfort sucht man auf der XV so vergeblich wie einen guten Chiropraktiker. Die Körperhaltung ist objektiv betrachtet ergonomisch unvorteilhaft und der Federweg der beiden Dämpfer mit 70 mm äußerst knapp bemessen.Das Positive am für einen Cruiser straff abgestimmten Fahrwerk ist wiederum, dass sich das Motorrad sehr sportlich durch die Kurven dirigieren läßt. Bei unserem Ausflug auf den Mulholland Highway und dem berühmt-berüchtigten Teilstück "The Snake" wurde das Fahrwerk durch streckenweise sehr schlechten Asphalt und zugleich leicht erhöhte Geschwindigkeiten gefordert, doch blieb dabei immer transparent, tat wie ihm befohlen und verlor nie die Fassung. Nur die bautechnisch bedingt sehr niedrig montierten Fußrasten, die in kleinen bis mittleren Kurvenradien ständig aufsetzen, brachten etwas Unruhe ins Chassis. http://www.motorrad-bilder.at/slideshows/291/009804/yamaha-xv950-bolt-test-108.jpg
Ab 130 auf der Autobahn wird's zwar etwas ungemütlich, aber mit einer sportlichen Gangart auf kurvenreichen Straßen kommt die XV spielend zurecht. Man weiß sehr genau, wo ihre Grenzen liegen und erlebt keine bösen Überraschungen.

Kein Wunsch nach mehr Leistung oder Bremsleistung.

In den Bergen über Malibu Beach hatte ich aber weder den Wunsch nach mehr Leistung, noch nach mehr Bremsleistung, nur nach mehr Wasser. Wenn wir von zwei Wave-Bremsscheiben reden, meinen wir zwar hinten und vorne zusammen, beide mit einem Durchmesser von 298 mm. Aber der Doppelkolben-Schwimmsattel vorne greift mit etwas Nachdruck so fest zu, dass der Reifen auf dem heißen Asphalt oft mit dem Grip zu kämpfen hatte. In Deutschland werden die Modelle zudem ausschließlich mit ABS ausgeliefert, zu dessen Funktion ich leider noch nichts sagen kann. Sagen kann ich aber etwas zum Spruch. Der gerade, kurze 2-in-1 Auspuff mag optisch nicht jedermanns Sache sein, aber der Sound ist auch mit der Originalanlage durchaus in Ordnung, mit dem Akrapovic aus dem Zubehörprogramm sicher großartig. Yamaha bietet schließlich 3 verschiedene Custom-Pakete ab Werk an, die den Sport-Heritage Cruiser mal mehr zum Sportler, mal mehr zum Heritage Cruiser verwandeln und sich "Performance", "Freedom" und "Vintage" nennen. In Österreich wird die XV950 schon ab unter 10.000 Euro zu haben sein.

Jetzt war ich also wieder in Amerika. Ich durfte den ganzen Tag motorradfahren, hing in Venice Beach, bei Deus Ex Machina und Roland Sands Designs rum, ernährte mich ausschließlich von Cheeseburgen und Cheesepizza-Slices und brachte eine Menge schöner Erinnerungen mit nach Hause. Neben einem Urlaub an der Westküste der USA kann ich jetzt auch den Kauf einer XV950/R nur empfehlen.

 
Yamaha XV950R
Action
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Yamaha XV950
Details und Standaufnahmen
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Yamaha XV950R
Details und Standaufnahmen
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Interessante Links:

Text: kot
Fotos:
Yamaha

Fazit: Yamaha XV 950 2013

Komfort sucht man auf der XV so vergeblich wie einen guten Chiropraktiker, aber wenn es gut aussieht, gut klingt und gut fährt, ist auch das Logo am Tank zweitrangig.


  • verschiedene Pakete ab Werk lieferbar
  • unkomfortables Fahrwerk
  • schlecht ablesbare Tachoeinheit

Bericht vom 23.07.2013 | 54.341 Aufrufe

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