Adventure vs. GS Test

Großenduro Vergleich. KTM 1190 Adventure vs. BMW R 1200 GS 2013. Gelände, Straße und auf Tour.
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BMW GS vs. KTM Adventure Duell auf höchstem Niveau

Schwierig, wenn man zwei Ikonen vergleicht auf der einen Seite die BMW R 1200 GS, die seit Ewigkeiten das Universalgenie darstellt, das alles kann und mitmacht. Auf der anderen Seite die KTM Adventure, die seit einigen Jahren als Sportlerin und Bergziege unter den Großenduros gilt.
 
Sowohl bei BMW als auch bei KTM war es nun wohl an der Zeit, die prestigeträchtigen Großenduros zu erneuern. Die größere Weiterentwicklung könnte man bei der KTM sehen, die Hubraumerweiterung von 1000 auf 1200 Kubik und die damit verbundene Leistungssteigerung von 115 auf gewaltige 150 PS bei 9500 Touren sind schon ein mächtiger Schritt nach vorne. Auch in Sachen Optik distanziert sich die KTM weit von ihrer Vorgängerin, die sich voll der Kante verschrieben hat, während die Neue nun auch hübsche Rundungen zur Schau stellt. Der hohe Scheinwerfer an der Front erinnert stärker an das hauseigene Superbike als an die Vorgängerin auch in Sachen Design wird so ein neues Kapitel aufgeschlagen.

Revolution im Verborgenen
Die BMW orientiert sich da schon viel mehr an der Vorgängerin - was anhand der hervorragenden Verkaufszahlen durchaus verständlich ist. Der Hubraum bleibt exakt gleich, die breite und robuste Optik wurde mitsamt dem typischen Entenschnabel behutsam gepflegt und die Leistungssteigerung um 15 PS auf 125 PS bei 7700 Umdrehungen ist im Vergleich zur KTM auch nicht unbedingt ein Paukenschlag. Der Schein trügt da aber etwas, an der BMW finden sich wahre Revolutionen: Der Zweizylinder-Boxermotor ist nun wassergekühlt, der Kardanantrieb sitzt auf der linken Seite, der Auspuff wandert nach rechts und man kann auf der neuen GS erstmals (gegen Aufpreis natürlich) ein Voll-LED-Licht ordern.
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Bildergalerie: KTM 1190 Adventure vs. BMW R 1200 GS


Fetter Durchzug von unten auf der BMW
Die Wasserkühlung wird dennoch nicht protzig präsentiert sondern integriert sich unauffällig in die bekannte Linie des Boxers mit den weit abstehenden Zylinderköpfen. Auch die vergleichsweise geringe Leistungssteigerung auf 125 PS macht sich im unteren und mittleren Drehzahlbereich positiver bemerkbar, als man vermuten würde. Die BMW bietet bereits von weit unten ordentlich viel Power, die sich im mittleren Drehzahlbereich noch weiter steigert. Schluss ist nun erst bei 9000 Touren, da fährt dann der Begrenzer heftig dazwischen. Ein wenig ärgerlich ist, dass die ansonsten so gut funktionierende Elektronik bei der Traktionskontrolle etwas zu hart eingreift und somit beim festen Beschleunigen etwas zu rigide eingreift.

Superbike-Triebwerk auf der KTM
Damit kann sie mit der neuen KTM 1190 Adventure nicht mithalten was allerdings nicht nur an der etwas sanfteren Performance der Traktionskontrolle liegt, sondern schlicht und ergreifend an 25 fehlenden PS. Denn auch wenn sich die BMW wacker und tüchtig bemüht, an der KTM dran zu bleiben, bei Geschwindigkeiten jenseits von 150 km/h ist die KTM auf und davon. Das sollte die BMW aber nicht beschämen, immerhin steckt in der KTM das Triebwerk des Superbikes RC8 R, das lediglich in der Leistung beschnitten und auf noch bessere Fahrbarkeit getrimmt wurde. Das Ergebnis ist einfach herrlich, der KTM-Motor dreht unglaublich agil und kräftig, bleibt dabei trotzdem stets gut kontrollierbar und souverän. Lediglich die ruppige Art im unteren Drehzahlbereich stört, fällt die Nadel unter 3000 Touren beutelt sich der V2-Motor heftig ab und quittiert diesen Fauxpas mit heftigem Kettenschlagen. Schaltet man aber rechtzeitig einen Gang herunter, ist das Problem auch schon gelöst. Förmlich als Belohnung dafür verwöhnt die KTM mit einem unglaublich leicht schaltbaren Getriebe, das es bis dato auf keiner KTM gegeben hat. Die Gänge flutschen unglaublich leicht, sodass man die Gänge eigentlich mit dem kleinen Finger wechseln könnte das aber bitte nicht während der Fahrt probieren!

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Neuerdings mehr Rundungen an der KTM (li.) während die BMW gewohnt kantig daher kommt (re.)
 
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Das 150PS LC8-Aggregat in der Adventure (li.) und der wassergekühlte 125PS Boxer der R 1200 GS (re.)

Fit für die Weltreise
Bei der R 1200 GS funktioniert das schon etwas rustikaler, allerdings ebenfalls weit entfernt von zu hart oder unpräzise. In Kombination mit dem Kardanantrieb bietet die BMW jedenfalls mehr Reisekomfort als die KTM, wer seine GS einer besonders schweren Prüfung unterziehen möchte und mit ihr die Welt umrundet, wird sich über den wartungsarmen Antrieb freuen. Dass die beiden ausladenden Zylinderköpfe im ganz schwierigen Gelände bei tiefen Rillen problematisch sein können störte bisher keinen GS-Fan und das wird wohl auch so bleiben.

Voll verstellbare Fahrwerke
In Sachen Elektronik schenken sich die beiden Großenduros nichts, wer sie mit allen Features ordert, die auf der Sonderausstattungsliste zu finden sind, wird zwar arm sein, dafür von vielen sinnvollen elektronischen Helferlein betreut. Die elektronisch verstellbaren Fahrwerke etwa bieten auf beiden Maschinen enorm viele Einstellungsmöglichkeiten. Das ESA (Electronic Suspension Adjustment) der BMW ist ja schon länger bekannt und hat sich bereits auf der Vorgängerin bewährt. Mit dem neuen Dynamic ESA kann man nun das Fahrwerk auf den Beladungszustand mit oder ohne Gepäck und Sozius abstimmen, aber auch auf die eigene Fahrweise. Bei der KTM bieten sich die gleichen Möglichkeiten, lediglich die Bedienung ist sehr unterschiedlich: Während die KTM nach einer kurzen Eingewöhnungsphase mit den vier Tasten am linken Lenker tadellos bedient werden kann, steuert man die BMW etwas unübersichtlicher über viele verschiedene Knöpfe, was dann aber mit etwas Routine ebenfalls bestens funktioniert.

bmw r1200 gs
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Die Qual der Wahl
Beiden gemein ist auch die Möglichkeit, die Motorcharakteristik vielfach einzustellen. Bei der BMW R 1200 GS sind dies die Modi Road, Dynamic, Rain, Enduro und Enduro Pro, auf der KTM 1190 Adventure Sport, Street, Rain und Offroad. Während bei beiden in den Stufen Road/Dynamic und Sport/Street die volle Leistung abgerufen wird und lediglich das Ansprechverhalten etwas sanfter ausfällt, wird bei Rain und Enduro die Leistung etwas gestutzt.

Im Gelände sind beide auf Augenhöhe
Selbst die Enduro bzw. Offroad-Programme wollen zwar das gleiche beste Performance im Gelände tun dies aber auf unterschiedliche Weise. Während die BMW mit vielen überschaubaren Regelmanövern versucht, die Fuhre im Zaum zu halten, vertraut die KTM viel mehr auf die Fähigkeiten des Fahrers und lässt sogar kleine Drifts zu. Dass die KTM 1190 Adventure damit im härteren Gelände unschlagbar ist, ändert nichts daran, dass auch die BMW R 1200 GS ihre Vorteile geschickt ausspielt. Der niedrige Schwerpunkt des Boxermotors bewirkt eine besonders handliche Fahrbarkeit, in Spitzkehren lässt sie sich viel handlicher um die Ecke werfen.

ktm 1190 adventure
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An Komfort kaum zu überbieten
Auf der Straße präsentiert sich ein ganz ähnliches Bild, die BMW ist wendig und handlich, das Fahrwerk mit der eigenwilligen Telelever-Aufhängung an der Front ist präzise und einer sportlichen Fahrweise durchaus gewachsen. Die KTM mit ihrem WP-Fahrwerk ist allerdings nicht minder sportlich, stabil und kurvenfreudig. Überraschend ist, dass sowohl BMW als auch KTM trotz ihrer Sportlichkeit an Komfort kaum zu überbieten sind. Die Fahrwerke filtern grobe Unebenheiten unbeeindruckt heraus, die Ergonomie der BMW war schon bei der Vorgängerin tadellos, nun ist sie noch besser. Man sitzt nämlich einerseits sehr sportlich vor dem breiten Lenker, andererseits ist der Kniewinkel gemütlich und der Sattel langstreckentauglich. Die KTM wurde gegenüber ihrer Vorgängerin um einiges bequemer und straßenorientierter, den Vergleich mit der BMW muss sie nun nicht mehr scheuen. Auch ihre nun zweigeteilte Sitzbank ist zwar ausreichend sportlich straff, aber ebenso komfortabel gepolstert, der Kniewinkel macht auch auf langen Etappen keine Probleme und die restliche Ergonomie schafft den Spagat zwischen Sport und Komfort ausgezeichnet.

Mit Liebe zum Detail
Die Windschilde erfüllen auf beiden Maschinen ihre Aufgabe souverän, bis 160 km/h bleibt man weitestgehend verschont, die Höhe kann ganz bequem ohne Werkzeug variiert werden. Bei der KTM watscheneinfach mittels zweier Hebel, die gelöst werden müssen und dann verschoben werden können. Auf der BMW noch einen Tick praktischer: Ein einziges Rad muss gedreht werden, dann kann das Schild mit nur einer Hand verstellt werden somit funktioniert das Verstellen sogar während der Fahrt, einfach genial. Ein Zugeständnis an das Design ist wiederum, dass man durch die zerklüfteten, kantigen Scheiben nur im Stand blicken sollte, während der Fahrt wäre das wegen der argen Verzerrungen wohl ziemlich gefährlich.

bmw r1200 gs
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Stopper wie beim Supersportler
Die Bremsen sind hingegen alles andere als gefährlich, funktionieren tadellos, lassen sich bestens dosieren und sind bei beiden Maschinen mit doppelten Scheiben samt Vierkolbensätteln so gut dimensioniert, dass auch sehr sportliche Fahrweisen ohne Probleme verdaut werden können. Auch die Antiblockiersysteme werken sehr unauffällig und bringen niemals Unruhe in noch so harte Bremsmanöver. Überhaupt sind die beiden Kontrahentinnen qualitativ im obersten Level angesiedelt, die Verarbeitung der KTM ist auf einem Niveau, das man vor einigen Jahren nicht für möglich gehalten hätte, da gibt es wirklich nichts zu bemängeln. Dennoch wirkt die BMW noch einen Hauch besser verarbeitet und punktet mit ihrem edleren Finish.

ktm adventure 1190
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Fazit
Welche der beiden Großenduros nun die bessere ist, lässt sich auf den allerersten Blick ganz schnell beantworten: Die KTM ist stärker, leichter und schneller. Da gibt es nichts zu rütteln. Legt man also größten Wert auf die Fahrleistungen führt zur Zeit kein Weg an der 1190 Adventure vorbei. Allerdings lässt sich auch die BMW R 1200 GS unglaublich sportlich um die Ecken werfen und in Sachen Geländetauglichkeit befinden sich beide auf einem sehr hohen Niveau. Des weiteren zählt bei einer Großenduro ja auch die Reisetauglichkeit samt Sozius und Gepäck, der Windschutz, die Bedienungsfreundlichkeit, der Sitzkomfort und so manches pfiffige Detail. Und da kann die BMW, die alles noch besser macht als ihre ohnehin schon nahezu perfekte Vorgängerin voll punkten. Insgesamt mache ich mir also keine Sorgen um die BMW R 1200 GS, die setzt das erfolgreiche Prinzip tadellos fort und hat ihre eingeschworene Fangemeinde zu Recht. Die neue KTM Adventure muss hingegen erst beweisen, dass sie im Langzeitbetrieb ebenso unkompliziert ist, wie ihre bayrische Konkurrentin.

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Text: 1000ps
Fotos:
1000ps

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Bericht vom 09.04.2013 | 17.222 Aufrufe

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