Nakedbikes Alpen

KTM Duke 690, Triumph Street Triple R, Ducati Monster 696, Streetfighter 848 und BMW F 800 R.
 

Nakedbikes in den Alpen

In den Bergen trennt sich die Spreu vom Weizen. Hier wollten wir klären - welches Naked Bike ist die Nummer 1 am Berg?
 

Nakedbikes sind die Allzweckwaffen für die reinen Freuden des Motorradfahrens. Sonst können sie nichts. Als Transportträger für Koffersysteme nur bedingt geeignet, da diese jede Figur jeder Nackten ruinieren. Für die Start-Stopp Fahrt zur Arbeit in die Großstadt unbrauchbar, außer man zieht den Nervenzusammenbruch am Morgen einem Espresso Doppio vor. Ein Nakedbike ist kein Praktiker, kein Pragmatiker und kein Professionalist. Ein Nakedbike dient dem Spaß an der Freude und trennt die Arbeit vom Tier in dir. Übrig bleibt im besten Fall ein emotionaler Ausbruch bar irgendeiner Zweckgebundenheit und Zielrichtung. Leben eben.

Beginnen wir mit dem Um und Auf. Die UMgebung für unseren Test liegt im 50 km Umkreis um das High Bike Test Center in Ischgl, nach der letzten Roadshow on Tour DAS Probefahrtzentrum Österreichs mit 30 Leihmotorrädern unter einem Dach. AUF gings in die Berg, wohin denn sonst? Vom engmaschigen mehr-Gehweg-als-sonstwas-Steilanstieg bis zu weiten, schnellen Radien in der Ebene alles dabei, krampfiges Passklettern eher weniger.


Triumph Street Triple R


Beginnen wir mit der Street Triple R, weil sie einfach meine erste Wahl war. Ich hatte bisher nicht viele Möglichkeiten, die kleine Schwester der Speedy probezufahren oder ich habe sie nie genutzt, weil immer auch die Speedy da war. Doch die Street Triple ist ein anderes Format, sie ist weniger und macht mehr draus. 106 PS aus 675 Kubik, alles etwas schlanker und leider auch etwas weniger schön, so fair muss man sein. Doch erstmal im vergleichsweise hohen Sattel Platz genommen, sieht man über optische Unzulänglichkeiten im wahrsten Sinne des Wortes hinweg und startet den kleinen Dreier. Das Surren des Triples könnte man als harmlos oder giftig interpretieren, je nach Gemütszustand. Er ist weder noch, er ist einfach verdammt gut.

Selbst im unteren Drehzahlbereich hält die Streety viel Druck aufrecht und schiebt nach oben hin homogen und bestens dosiert in den Begrenzer. Eine Drehmomentmauer, die den kleinen Hubraum verdammt groß wirken lässt. Schnell begreift man, dass hier praktisch alles richtig gemacht wurde und auch so funktioniert. Die Bremserei passt zum Motor passt zum Fahrwerk passt zur Geometrie passt zu mir. Nur, wenn die Kurven komplett zumachen und gegen 180° wandern, tut man sich auf der Engländerin schwer, mit den wahren Handlingheros Duke 690 und Monster 696 mitzuhalten.
Street Triple R: Für Kenner, die können und deshalb keine Speedy brauchen.

KTM Duke 690

Nachdem die Baureihe mit der Duke 690 R in radikaler Weise ihren optischen Höhepunkt erreicht hatte, zog KTM die Notbremse vor weiteren Eskalationen und befriedete diese Design-Warzone. Als wir die neue Duke 690 sahen, hielten wir sie zunächst für ein Kleinmotorrad, das sogar der Duke 125 in rein äußerlicher Qualität unterlegen war. Neben der freundlicheren Erscheinung wurde die neue Duke durch die niedrige Sitzhöhe, die mit der Werksangabe von 835 mm sogar noch schwer übertrieben scheint (die alte hatte 865 mm), einem breiteren Nutzerkreis zugänglich gemacht, wofür einige Hardcore-Fans nur Spott und Hohn übrig hatten. Auch wir sind nicht immun gegen Vorverurteilungen und zeigten uns angesichts der ersten Bilder im Herbst 2011 besorgt.


Gigant in Zwergenform.


Aus der schärfsten Einzylinder-Kanten für die Straße wird doch wohl kein Frauen-Und-Fahrschul-Motorrad geworden sein. Doch nachdem wir uns vergewissert hatten, dass die Duke mit ihrem 70 PS starken 690 Kubik 1-Zylinder-Motor, Fahrwerkskomponenten von WP Suspension, radial verschraubten 4-Kolben-Bremsen mit 320er Scheiben und einer Anti-Hopping-Kupplung immer noch ein Siegereisen für tatsächliche oder auch nur eingebildete Ernstfälle im Kampf um die Bergwertung ist, waren wir beruhigt. Zumal die 70 PS bei einem Trockengewicht von 149,5 Kilo wirklich was zu sagen haben.

Die Duke ist nicht schnell im absoluten Sinn, sondern flink und ultra agil. Nach wie vor radikal, wenngleich etwas beherrschter als die 'R', geht sie ins Kurvengericht und wählt dort immer die schärfste Linie. Meter macht sie ebendort und im Kurveneingang, wo ihr keine der anderen Kandidatinnen das Wasser reichen kann, vorausgesetzt, man zieht ordentlich am Bremshebel. Ein österreichischer Gigant, der aussieht wie ein Zwerg. Ein bisschen bedauern dürfen wir das schon.
Duke: Für Kinder, die Messer, Schere, Feuer und Licht schon fad finden.


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Ducati Monster 696


Die kleine Monster war bei unserem Test so eine Art Kollateralschaden, ein Nebenprodukt, das zu hundert Prozent aus einer Notwendigkeit und nicht aus Leidenschaft ins Team aufgenommen wurde. Die wirklichen Monster im High-Bike Fuhrpark sind die Diavel, die Multistrada 1200 S und die Streetfighter 848, daneben fällt die niedliche Monster 696 kaum auf. Viel trauten wir dem 80 PS starken Zweiventil-Zweizylinder nicht zu, aber in die Berge sollte er uns und die 185 Kilo an Motorrad und Treibstoff wohl bringen. Und als die Tauscherei unter den Testfahrern losging, wäre es wie bei bei der Reise nach Jerusalem - wer die kleine Monster ausfasste, würde der Depp sein, dachten wir.

Doch es kam anders. Die letzten Erfahrungen mit dem italienischen Nakedbike lagen schon eine Weile zurück und irgendwie blieben nur die sehr niedrige Sitzhöhe von 770 mm und der damit verbundene extreme Kniewinkel in Erinnerung. Schon wieder so ein Ladybike. Nett anzusehen, einfach zu fahren, nett anzusehen. Aber ein Monster ist immer auch etwas böse und will andere Dinge einfach kaputt machen. So wie die Illusionen eines ziemlich motivierten Streetfighters, der versucht, mich auf selbigem eine legendäre Bergstraße hinunter abzuwatschen und -hängen, aber nicht den Funken einer Chance hat.


Knabbert den Abstand weg.


Die paar Meter, die er auf den Geraden durch einen satten Leistungsvorteil naturgemäß reinholt, nehme ich ihm von Kurveneingang bis -ausgang doppelt ab. Im Radius fühlt man sich mit der Monster wie auf einem verdammt schnellen Fahrrad, dabei sind die 43 mm Upside-Down-gabel von Kayaba und das Sachs Federbein nichts Besonderes, für dieses Motorrad aber geradezu perfekt. Vierkolben-Bremssättel auf 320er Scheiben knabbern am Abstand zum Vordermann, bis sie ihn ganz weggefressen haben und die Monster ihren Gegner verschlingt. Just another victim.
Monster: Für Tiefstapler mit Geschmack, aber auch Anfänger und Frauen. Keine Riesen.

 


Ducati Streetfighter 848


Ducati Streetfighter 848. Wir haben ihn gehasst, geliebt und jetzt sind wir uns nicht mehr sicher. Die Spezies Streetfighter hat mit der Gattung Monster ungefähr soviel gemein wie ein Politiker mit einem rechtschaffenen, ehrlichen, gewissenhaften, altruistischen, unbescholtenen Menschen, nämlich nichts. Während es sich bei der Monster um ein umgängliches, sympathisches Wesen handelt, das irgendwie "mit jedem kann", ist der Streetfighter ein leicht boshafter, hantiger Geselle, der keine Lust hat, sich auf die Bedürfnisse seiner Benutzer einzustellen. Nach dem Motto "Die einen kennen mich, die andern können mich" kennt auch der Streetfighter nur beste Freunde oder schlimmste Feinde. Auf der Landstraße und in harmonischen Wechselkurven bin ich der beste Freund des 132 PS starken und 199 Kilo leichten Italorestls, weil der Gitterrohrrahmen, die voll einstellbare 43 mm Marzocchi Gabel, das Sachs Federbein und der Radstand von 1475 mm einfach die Herausforderung der Geschwindigkeit brauchen. Wie die Brembo Bremsen funktioniert auch der Rest nur unter Druck richtig gut.
Streetfighter: Für echte Männer und echt harte Frauen.


Love it or leave it.


Ein echtes Renngerät mag eben nicht unter lockeren Zügeln geritten werden. Das kann beim Fahrer mitunter Stress verursachen, besonders, wenn nicht rohe Kraft, sondern filigrane Leichtfüßigkeit gefragt ist. Beim eng gesteckten Bergabwedeln hatte der Streetfighter trotz einem Leistungsvorteil von 56 PS (!) gegen die Monster 696 keine Chance. Bergauf werden die Karten natürlich neu gemischt und wären die Zwischengeraden länger gewesen...wer weiß. Aber es zeigt, dass auch wenn sie aus ihrem natürlichen Lebensraum vertrieben werden. Die Alpen sollte man mit dem Streetfighter eher meiden.


BMW F 800 R

Und am Ende noch die F 800 R. So brav, so bieder. Würde man auf diversen Motorradtreffen, -messen und -videos nicht des Öfteren Zeuge der abartigen Misshandlungen der unschuldigen Bayerin durch den Herren Pfeiffer werden, könnte man sich nicht im Entferntesten vorstellen, dass soviel Potenzial in dem Reihenzweizylinder steckt. Aber er funktioniert brav und ordentlich, ohne Leistungsexplosion, aber pflichtbewusst. Trotz dem schnarrigen Auspuffsound, der uns wirklich gut gefällt, macht die F 800 R zuwenig Eindruck und wirkt in den Alpen, als hätte sie sich auf dem Weg ins Büro verlaufen.

 

Ein Beispiel. Als ich im Zuge der Roadshows on Tour mit einer F 800 R ein bisschen über's Land fuhr, traf ich in einem völlig irrelevanten Kleinstort auf zwei kleine Burschen, die mit ihren Schultaschen gerade auf dem Weg nach Hause waren. Einer der beiden, keine 8 Jahre alt, zögerte etwas, aber nicht lange, um mir aus der Hüfte den doppelten Mittelfinger entgegenzufeuern, während ich vorbeifuhr. Ich habe mich dann zwar kurz gerächt (keine Angst, es wurden keine Kinder beschädigt), wurde aber das Gefühl nicht los, dass mir sowas mit einem anderen Nakedbike nicht passiert wäre. Ein paar Ecken und Kanten im übertragenen Sinn täten ihr ganz gut, der F 800 R. Vielleicht sind wir einfach zu zufrieden mit ihr.
F 800 R: Für Leute, die Bürosessel sexy finden.


 

Er zieht am Gas als wär's ein Knebel, schon liegt das ganze Tal im Nebel.


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Text: kot
Fotos: 1000PS

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Bericht vom 06.08.2012 | 14.109 Aufrufe

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