Horex VR6 Test

Es war uns eine Ehre die neue Horex VR6 zu testen. Fahrbericht, Fotos, Video.
 

HOREX VR6

Sound of Soul. Erster Kurztest am Southside-Flughafen. 12 Stunden Reise ergibt 45 Minuten Fahrzeit.
 

Sicher, es lief nicht alles optimal. Man steht um 0-5-30 auf, um den 7Uhr15 Flieger nach Stuttgart zu erreichen, schaut dann 20 Minuten lang vom Bus aus den Mechanikern beim Herumschrauben am Blechvogel zu, um von einem ebenso netten wie nervösen Groundcontroller informiert zu werden, dass man das unbekannte technische Gebrechen leider doch nicht auf die Schnelle und vor den Augen der gar nicht beunruhigten Passagiere wird lösen können. Also zurück zum Terminal 3 vulgo Skandal-Skylink und beim Service-Center um ein funktionstüchtiges Fluggerät angestellt. Der Computer hat schon alles erledigt, Sie können um 9.15 Uhr ihre Reise antreten, Ankunft in Stuttgart um ca. 10.30 Uhr. Dann Mietauto ausfassen und nochmal 90 Minuten Richtung Süden, also eigentlich wieder Richtung Heimat, aber so ist das eben heute bei den billigen Flugpreisen. Um 12.30 Uhr erreiche ich schließlich den ehemaligen Militärflughafen Neuhausen ob Eck im Landkreis Tuttlingen (das ist kein Witz), der den jüngeren Lesern durch das Southside Festival bekannt sein dürfte und heute nur mehr eingeschränkt als "Sonderlandeplatz" und als Businesspark dient.


2 Testmotorräder und ein Prototyp.


Im Normalfall sind kleine Unregelmäßigkeiten wie diese kaum der Rede wert, dauern die Präsentationen der Milliardenkonzerne doch meistens 2 bis 3 Tage, also genug Zeit für eine ausgedehnte An- und Abreise, 30 Testmotorräder verhindern meist Engpässe bei der Fahrzeugvergabe. Hier gibt es aber keine Milliarden, keine 2 bis 3 Tage Zeit und keine 30 Testmotorräder. Es gibt zwei, den Prototypen nicht mitgerechnet und ich hatte noch 3 Stunden Zeit, eines davon zu fahren. Jetzt waren aber mal die anderen dran und ich vertrieb mir die Zeit mit Schnitzelsemmel-Einwurf und einer ausgiebigen Nikoton-Koffein Behandlung.


Zuerst kam der Motor, dann erst die Marke.


Zum ersten Mal wusste ich nicht, was mich erwartet. Zum ersten Mal hatte ich keine Ahnung, worauf ich mich einstellen sollte, was auf mich zukommt. Und zum ersten Mal reichten meine Erfahrung und mein allumfassendes Wissen nicht aus, einzuschätzen, wie das Motorrad fährt, das es zu testen galt. Zum ersten Mal eine Horex.
Dabei ging es den Gründern von Anfang an gar nicht um die Marke, sondern um das Motorkonzept, die Marke sollte später nur der Träger für diese in einem Motorrad einzigartige Technik werden und ihr ein Gesicht geben. Ein fester Brocken ist es geworden, aber kompakt und stramm, mit einem Gewicht von 250 Kilo im Vergleich zu anderen großen Nakedbikes wie Honda CB1300 oder Yamaha XJR1300 kein übergewichtiger. Dass die Horex auch nicht breiter baut als Vierzylinder ähnlichen Hubraums liegt an der Verschränkung der Zylinder. Die Achsen der sechs Zylinder sind im Verhältnis zur Mittelachse der Kurbelwelle versetzt, der Zylinderwinkel beträgt so nur 15° und die Brennräume liegen alle unter einem Zylinderkopf. Das Konzept soll den Verschleiß minimieren und die Lebensdauer maximieren.

Der Doppelröhrich wird den sechs Zylindern leider optisch nicht gerecht, da hätte man sich ein Beispiel an der Benelli Sei nehmen sollen. Sechs Endrohre, das wär' was gewesen, wenn auch wahrscheinlich überhaupt nicht sinnvoll und zeitgemäß.



Bildergalerie Horex VR6 in Fahrt Bildergalerie Horex VR6 im Stand

Kann die Optik überhaupt mit der extravaganten Technik mithalten? Beim Auschecken der Horex kamen mir sofort einige Teile bekannt vor. Die Blinker zum Beispiel, die ich selbst auf meinem BMW Umbau habe, weil sie gut aussehen und günstig waren. Auch die Griffe und Hebel am Lenker hatte ich schon mal wo gesehen. Man kann nicht alles selber machen. Insgesamt haben sie aber dennoch ein Original auf die Räder gestellt, kein Nakedbike, sondern einen waschechten Roadster nach klassischem Muster, der durch eine gerade Schulterlinie und ein nüchternes Profil auffällt. Sie sieht aus wie mit dem ganz dicken Zeichenstift entworfen.


Waschechter Roadster mit nüchternem Profil.


Irgendwann, so kurz nach halb vier, durfte ich dann endlich auf einer Horex Platz nehmen. Die Sitzhöhe von 820 mm stimmte auf keinen Fall, auf dem von mir gefahrenen Modell konnte ich gerade so mit den Ballen den Boden berühren, also musste der Sitz auf über 850 mm (Bsp. KTM Superduke R) gelegen haben. Das WP  Fahrwerk war sehr hart eingestellt, dass das Motorrad beim Draufsetzen kaum niedriger wurde, die einteilige Sitzbank stellte trotzdem einen gewissen Komfort sicher. Auch der Rest der Ergonomie passt, da hat man für die mitteleuropäische Statur die richtige Geometrie gefunden.

 

Und endlich. Über 10 Stunden, nachdem ich aufgestanden war, konnte ich das rote Knöpfchen drücken und der in Einzelfertigung zusammengebaute VR6 Motor mit 1218 ccm Hubraum und drei oben liegenden Nockenwellen unter mir erwachte zum Leben. Ein Klang wie zwei Dreizylinder beim Liebemachen. Ein gewaltiges Konzert aus Kratzen, Grollen, Zischen, vereint in wundervoller Disharmonie. Mit keinem aktuellen Motor vergleichbar, so etwas gibt es in der Form nicht mehr. Ein bisschen mehr Gas beim Anfahren und wir rollen vom Flugfeld auf's freie Land. Zunächst bin ich auf einem regulären Pre-Production-Model unterwegs, alles ist fast so, wie man es bald wird kaufen können. Drei sehr geschmackvolle, gut ablesbare Rundinstrumente, ein sehr robuster Lenker, ein bequemer Sitz und die erwähnte gelungene Ergonomie geben dem Fahrer ein vertrautes und vertrauenswürdiges Gefühl.


Schon sehr laut, oder?


Sofort muss festgestellt werden, ob man mit 161 PS bei 8.800 U/min. und 137 Nm bei 6.800 U/min. nicht zuviel versprochen hat. Hat man nicht. Das Gefühl der Beschleunigung der Horex ist vergleichbar mit jenem der BMW K-Modelle, obwohl die Bayrischen real wahrscheinlich schneller sind. Der Radstand von 1500 mm und nicht zuletzt das Gewicht halten die Front samt 48 mm Up-Side-Down Gabel am Boden, übrig bleibt der reine Vortrieb. Sehr kraftvoll zieht der VR6 schon aus niedrigen Drehzahlen bis maximal 10.000 Touren durch. Das Aggregat ist gut, aber noch nicht perfekt abgestimmt. So fallen besonders im mittleren Drehzahlbereich recht intensive Vibrationen in den Fußrasten negativ auf. Man sieht aber schnell drüber hinweg, weil man ständig dabei ist, die puren Emotionen durch die Ohren einzusaugen. Das Tal bebt, die Berge zittern, wenn der VR6 durch die Landschaft brüllt. So feinsinnig wie ein Kumpel aus dem Pott, so zart wie Eisenerz. Hab' selten einen Journalisten sagen hören "Das ist aber schon sehr laut, oder?"

 

Meine Antwort lautete natürlich 'Genau richtig', zur Strafe musste ich dann mit ihm Motorrad wechseln, er fuhr nämlich nicht das Pre-Production-Model, sondern den Prototypen, an dem vieles etwas anders war. "Vorsicht bei dem Prototypen", wurde ich gewarnt, "der verträgt nicht mehr als 35° Schräglage. Dann setzen die Krümmer auf und es hebt dich sofort aus. Also es schleift nicht, man stürzt einfach." Bei einer Testfahrt mit einem unbezahlbaren Einzelstück nicht unbedingt eine Wunschmeldung. Aber mit dem nötigen Respekt funktionierte auch der Prototyp einwandfrei, wenngleich dessen Motor deutlich schlechter abgestimmt war, mit einem ruckartigen Leistungsanstieg in der Mitte.

Alles wirkt so echt und unmittelbar. Obwohl sie sich anfühlt, wie aus dem Stahlblock geschnitten, lässt sich die Horex überraschend leicht in die Radien lenken, auch Korrekturen über den Lenker sind problemlos möglich, nur in schnellen Kurven fängt der Bock etwas zu pendeln an; die Fahrwerkskomponenten sind noch nicht perfekt aufeinander abgestimmt. Dafür arbeiten die Vierkolbenbremszangen von Brembo auf zwei 320er Braking-Scheiben tadellos und im Notfall kann man sich sogar auf das serienmäßige ABS von Bosch verlassen. Mit dem Metzeler Roadtec Z8 Interact ist die Horex auch passend erstausgerüstet. Für ein Erstlingswerk ist das alles sehr stimmig und komplett.

Horex hat mit seiner VR6 nicht nur eine legendäre Marke wieder ins Leben zurück geholt, sondern auch der Motorradhattung "Roadster" eine neue Ikone gemeißelt. So nah kommt man einem Motorrad nur selten.


Interview Clemens Neese, CEO Horex GmbH

1000PS: Herr Clemens Neese, Sie sind das Mastermind hinter Horex. Wie lange dauerte es vom ersten Gedanken, die Marke zu reaktivieren bis zum fertigen Produkt.
C. Neese: Der erste Gedanke war nicht, die Marke zu reaktivieren, sondern die Konzeption des Motors. Das geht auf das Jahr 2003 zurück. Die Erkenntnis, dass das sehr gut mit der Marke Horex harmoniert, kam ein paar Jahre später. Das eigentliche Projekt startete dann im Jahr 2007. Vom Start der Planung bis zum Start des VR6 Motors waren es 5 Jahre.
1000PS: Wie viele Beschäftigte arbeiten derzeit für die Marke?
C. Neese: Wir haben 15 Festangestellte und einige freie Mitarbeiter. Das wird sich demnächst erhöhen.
1000PS: In Ihrer Manufaktur werden die Motorräder in Handarbeit hergestellt. Wieviele Mechaniker setzen ein Motorrad zusammen?
C. Neese: Also grundsätzlich gilt One Man - One Bike. Ein Monteur macht ein Motorrad fertig und ist auch dafür verantwortlich. Das passiert parallel auf vier Arbeitsplätzen, wir haben also vier Monteure.
1000PS: Sie haben in Moment ein Produkt, bieten aber verschiedene Optionen an. Welche Möglichkeiten der Individualisierung hat der Kunde?
C. Neese: Es gibt zunächst den VR6 Roadster in der 161 PS Motorisierung, weitere Leistungsstufen sind geplant. Bei einer kommenden Messe werden wir zeigen, was es für Varianten geben wird. Und dann gibt es natürlich verschiedene Farbkombinationen und Zubehöroptionen.
1000PS: Wie kommt - speziell ein österreichischer Kunde - zu einer Horex?
C. Nesse: Wir haben in Deutschland, Österreich und der Schweiz schon ca. 34 Vertriebspartner, einige sollen noch dazukommen. In Österreich sind das die Firma Hebart in 1200 Wien und Ernst Schick in 6114 Weer. Nahe der österreichischen Grenze gibt es auch noch die Firma Zupin.
1000PS: Wie lange dauert es, bis ich nach meiner Bestellung mein Motorrad abholen kann?
C. Neese: Momentan sind wir in der schwierigen wie glücklichen Lage, dass wir schon viele Vorbestellungen haben. Es geht los mit der Ausstattung der Händler selbst und dann werden die Kundenfahrzeuge ausgeliefert.
1000PS: Heuer finden noch zwei große und wichtige Motorradmessen statt, die EICMA und die Intermot. Wo werden Sie präsent sein?
C. Neese: Da wir im deutschsprachigen Raum starten, werden wir uns auf die Intermot in Köln konzentrieren und vor Ort sein. Das ist die passender Plattform.
1000PS: Vielen ist der VR6 Motor noch aus dem Gold bekannt. Steckt in dem Motorrad ein Stück Auto?
C. Neese: Nein, überhaupt nicht. Es steckt keine einzige Schraube aus dem VW Motor in der Horex. Das Prinzip ist natürlich vergleichbar. Also geschränkter Kurbeltrieb, ineinander geschachtelte Zylinder...aber der Motor ist eine Neuentwicklung, wir mussten in ja in ein Motorrad-Chassis einpassen.
1000PS: Wie würden Sie den typischen Horex Kunden beschreiben?
C. Neese: Es ist ja so, dass das Durchschnittsalter der Motorradfahrer ständig ansteigt. Das ist Fluch und Segen. Die älteren Fahrer haben meistens mehr finanzielle Möglichkeiten und Interesse an Tradition und besonderer Technik.
1000PS: Am Schluss noch ein unangenehmes Thema. Was kostet eine Horex laut Liste?
C. Neese:



Interessante Links:

Fotos: Horex

Fazit: Horex VR6 Roadster 2012

Horex hat mit seiner VR6 nicht nur eine legendäre Marke wieder ins Leben zurück geholt, sondern auch der Motorradgattung "Roadster" eine neue Ikone gemeißelt. So nah kommt man einem Motorrad nur selten.


  • Hohe Stabilität
  • kompakt und stramm
  • extravagante Technik
  • robuste Umsetzung
  • simpler Kurvenwechsel
  • tadellose Funktion der Vierkolbenbremszangen.
  • Relativ hohes Gesamtgewicht
  • Doppelröhrich wird den sechs Zylindern optisch nicht gerecht
  • viel zu hoher Sitz
  • disharmonischer Sound
  • Fahrwerkskomponenten suboptimal aufeinander abgestimmt.

Bericht vom 01.08.2012 | 21.198 Aufrufe

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