Kawasaki W 800

Die Wiederauferstehung des Guten, des Wertvollen, des Wesentlichen. Schöne alte Welt.
 

Kawasaki W800

Die neuen Freuden des alten W. Kawasaki macht vor, wie Retro richtig geht.



Mal ganz ehrlich, je mehr Möglichkeiten ich hatte, die verschiedensten Motorräder zu fahren und zu testen, umso mehr kristallisierte sich, neben meiner weichen Birne, auch mein weicher Kern heraus. Mit dem Motorrad durch die Gegend gleiten und die wunderbare Landschaft genießen. Genau das macht für mich den Reiz am Motorradfahren aus. Klar ist die Beschleunigung eines 200 PS Supersportlers atemberaubend und faszinierend, doch die wahre Freude des Motorradfahrens, nämlich das Motorrad zu fahren und auch den Rest der Welt noch mitzubekommen und genießen können, fällt bei 60 Meter pro Sekunde und mit dem Adrenalinspiegel eines Bungee Jumpers etwas schwer. Da kommt mir die W 800 gerade recht, ein Motorrad zum Cruisen und das optimale Werkzeug zur seelischen Entschleunigung. Werte wie Leistung und Geschwindigkeit verlieren bei der W 800 an Bedeutung und haben nichts mit ihrer eigentlichen Bestimmung, ein entspanntes Fahrgefühl zu vermitteln, zu tun.

Klar könnte man sich auch einfach auf einen rostigen 50 PS Hobel mit Altersflecken setzen und ähnlich stilvoll durch die Landschaft tuckern. Die W800 hat aber nur die Optik eines 30 Jahre alten Bikes, ihre Innereien sind auf dem neuesten Stand der Technik. Der luftgekühlte 773 ccm große Parallel Twin etwa wird über eine elektronische Kraftstoffeinspritzung versorgt. Lediglich die an der Seite verbaute Königswelle, welche die Nockenwelle antreibt, ist alte Technik im besten Sinne. Die überschaubaren 48 PS reichen aus, um die W an gesetzestreuen Autolenkern und kleineren Motorrädern vorbeizuscheuchen, viel mehr sollte man sich von der bescheidenen Leistung allerdings nicht erwarten.

 
Äußerst sinnvolles Zubehör: Momo Helm, dann klappt's auch mit der Tschik in der Pappn.
O.K. das schaut jetzt vielleicht easy aus. Aber mit den 48 PS brauchten wir 5 Versuche um diesen immensen Wheely hinzubekommen.
 

Noch wichtiger aber ist das Fahrwerk. Standesgemäß arbeiten hinten zwei Federbeine und vorne eine 39er Teleskopgabel. Das Fahrwerk vermittelt eine gute Rückmeldung und hat in brenzligen Situationen ausreichend Reserven. Bei höherem Tempo verlangt die W allerdings eine starke Hand, denn lässt man bei Geschwindigkeiten um die 125 die Griffeln etwas zu locker, beginnt die 800er zu pendeln. Bei festerer Handhabung lässt sie diese Spompanadeln allerdings wieder sein und man kann bis zum Top Speed von 170 Km/h hoch beschleunigen. Das etwas nervöse Verhalten bei diesen Geschwindigkeiten sollte man aber eher den mit 100 mm vorne und 130 mm hinten doch sehr schmalen Reifen zuschreiben.

Nicht ganz so modern sind allerdings die Bremsen der W. Hinten werkelt noch, wie in den guten alten Zeiten, eine Trommelbremse, die allerdings tadellose Arbeit verrichtet und die das Hinterrad der Kawa gut in Zaum hält. Vorne begnügt man sich mit einer Doppelkolben-Bremszange, die sich in nur eine Bremsscheibe verbeißt. Um also gut zu verzögern, ist etwas mehr Zugkraft von Zeige- und Mittelfinger gefragt. An die Bremswerte eines Supersportlers wird die W zwar nicht rankommen, für sicheres Verzögern langt die Bremserei der Kawa aber allemal.
 

Fast wichtiger aber als das entspannte Fahrgefühl ist die Optik der W800. Kaum ein anderes Bike überzeugt so gnadenlos wie die Retro Kawa. Bei jedem Heurigenbesuch oder Stopp vorm Eisgeschäft bildeten sich binnen weniger Minuten Menschentrauben um die W. Neben den Standardfragen "Is des a oides oda neiches Motorradl?", kam auch relativ oft "Wos is'n des überhaupt fia ane?" Die Frage ist berechtigt, denn die W gibt ihren Hersteller nicht auf den ersten Blick preis. Erst nach einer kurzen Suche erkennt man auf der Rückseite der gerippten Sitzbank den "Kawasaki" Schriftzug. Ansonsten findet man an der W 800 sehr viel Chrom, wie an der formschönen Auspuffanlage, die in gerader Linie bis weit nach hinten führt. Neben weiteren Chomelementen wurde bei der W aber auch viel Wert auf Retro im Detail gelegt. Die runden Instrumente in schwarz/weiß gehalten fügen sich ebenso gut ins Gesamtbild ein wie die unverschnörkelten Lenkerarmaturen. Das wahre Herzstück ist allerdings der Motor. Viel gebürstetes Alu, gut versteckte Elektronik und zum Drüberstreuen noch das verchromte Rohr der Königswelle. Endlos viel Schönheit findet sich auf der W 800, trotzdem bildet sie auch eine gute Ausgangsbasis für Scrambler- oder Cafe Racer-Umbauten.

 
So hat sich bereits der deutsche Edelteile Fabrikant LSL der W angenommen und sie in einen herrlichen Flat Track Racer verwandelt. Hier findet ihr Bilder und Details zur LSL W800. Auch wenn die W nicht bei allen Motorradfahrern helle Begeisterung auslöst und ihr Charme abprallt, sollte man ihr trotzdem eine Chance geben. Eine kurze Probefahrt hat schon den einen oder anderen Vollblutracer umgepolt und dazu gebracht, die ruhige Seite des Motorradfahrens zu genießen.
 
Oh Du mein Herz. Tank mit herrlicher Lackierung.
Passen wie die Faust aufs Aug. Die Instrumente und Armaturen fügen sich wunderbar ins Erscheinungsbild der W

Technische Daten Kawasaki W800


Motor  
Typ Luftgekühlter Viertakt-Parallel-Twin
Hubraum 773 cm3
Bohrung und Hub 77,0 x 83,0 mm
Verdichtung 8,4:1
Ventilsteuerung SOHC, 8 Ventile
Kraftstoffsystem Kraftstoffeinspritzung: φ34 mm x 2 mit Sekundär-Drosselklappen
Zündung Digital
Anlasser Elektrostarter
Schmierung Druckumlaufschmierung, Nasssumpf
Antrieb  
Getriebe Fünfganggetriebe
Endantrieb Dichtring-Kette
Primärübersetzung 2,095 (88/42)
Übersetzungsverhältnisse:  
  1. Gang 2,353 (40/17) [JPN: 2,352 (40/17)]
  2. Gang 1,590 (35/22)
  3. Gang 1,240 (31/25)
  4. Gang 1,000 (28/28)
  5. Gang 0,851 (23/27)
Endübersetzung 2,467 (37/15) [JPN: 2,466 (37/15)]
Kupplung Mehrscheibenkupplung im Ölbad, manuell
Chassis / Rahmen  
Rahmen Doppelschleifenrahmen aus hochfestem Stahlrohr

Federweg vorne

130 mm

Federweg hinten

105 mm
Reifen vorne 100/90-19M/C 57H
Reifen hinten 130/80-18M/C 66H
Lenkkopfwinkel (Sturz) 27 °
Nachlauf 108 mm
Lenkereinschlag (links/rechts) 37 ° / 37 °
Federung vorne 39-mm-Teleskopgabel
Federung hinten Zwei Federbeine, 5-fach einstellbar
Bremsen  
vorne Einzelscheibe, 300 mm, Doppelkolben
hinten Trommel, 160 mm
Masse und Gewichte  
Gesamtlänge 2180 mm
Gesamtbreite 790 mm
Gesamthöhe 1075 mm
Radstand 1465 mm
Bodenfreiheit 125 mm
Sitzhöhe 790 mm
Gewicht fahrfertig 216 kg
Tankinhalt 14 Liter
Leistung  
Maximale Leistung 48 PS bei 6500 U/min
Maximales Drehmoment 60 NM bei 2500 U/min
Farben Metallic Dark Green (Dunkelgrün)
Preis A:

 

 

Text: arlo
Fotos: kukla

Fazit: Kawasaki W 800 2011

Kawasaki macht vor, wie Retro richtig geht. Endlos viel Schönheit findet sich auf der W 800, trotzdem bildet sie auch eine gute Ausgangsbasis für Scrambler- oder Café Racer-Umbauten.


  • hohe Geschwindigkeiten erreichbar
  • entspanntes Fahrgefühl
  • überzeugende Optik.
  • Seitlich verbaute Königswelle entspricht alter Technik
  • nervörses Fahrwerk
  • Bremsen etwas schwach
  • bescheidene Leistung

Bericht vom 09.09.2011 | 41.325 Aufrufe

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