Yamaha R1 - 2. Liebe

Liebe macht blind. Hass aber auch. Wieso hatte kot die wahren Werte der R1 nicht gleich erkannt?

 

Yamaha YZF-R1 revisited

Die Big Bang Theory hatte am Anfang viele Skeptiker. Doch jetzt glauben alle an die R1. Auch ich.
 
Ich fühlte mich wie der Highlander, als ihm Kurgan der Kurgise zum ersten Mal ein Schwert in die Wampe rammte. Nur, dass es bei mir weniger weh tat, als dass es mich vielmehr irritierte, weil es sich so anders anfühlte. Nie zuvor hatte ich so etwas gespürt. Die R1 hatte sich vollkommen verändert, war nicht mehr dieselbe. Nicht nur äußerlich wirkte sie wie eine Stimmgabel, die den Ton nicht traf. Auch der Motor klang wie ein kaputter V2 oder ein noch kaputterer Reihenvierer. Man verwies stolz auf die MotoGP. Die freigestellten Scheinwerfer-Glupschaugen in den leeren Augenhöhlen ernteten Buhrufe, das gedrungene Heck mit den kurzen, aber dicken Auspufftöpfen wurde von den Fans verbal mit faulen Eiern beworfen. Das Ende einer Legende?
 

Das Ende einer Legende?


Die erste Probefahrt mit einer neuen R1 konnte ich bei einem Bridgestone Reifentest im März 2009 machen. Nicht sehr angetan vom Äußeren des 182 PS Supersportlers, musste ich meinen beruflichen Pflichten nachgehen und ein paar Runden auf der Rennstrecke von Almeria abspulen. Die Sitzposition war - wie mittlerweile bei allen 1000ern - okay, der Rest eine einzige Irritation. Die Kraftentfaltung ist eine völlig andere als man sie von anderen 4-Zylinder Motorrädern kennt. Durch den 270° Zündversatz entsteht ein komplett neues Fahrgefühl. Ein komisches.

Einst grässlich, jetzt großartig.

Kurz und dick - der Frauen Glück. Aber nicht das der R1 Fans. Das gedrungene Heck sorgt aber tatsächlich für mehr Ausgewogenheit zwischen Bug und Heck.


Suche nach 182 PS.


Nachdem ich die Linie auf dem diffizilen Kurs von Almeria so halbwegs gefunden hatte, suchte ich etwas Neues: die 182 PS. Ich suchte das gesamte Drehzahlband auf und ab, aber ich hatte nie das Gefühl, die volle Leistung abzurufen. Wahrscheinlich konzentrierte ich mich zu sehr auf die Eigenheiten der R1 und merkte deshalb erst recht spät, zum Glück nicht zu spät, dass der Hinterreifen ständig am Durchdrehen war. Die Leistung war also da, sie musste nur dezenter und in anderer Weise dosiert werden. Die Abstimmung des Fahrwerks sollte noch einigen ÖM-Fahrern monatelanges Kopfzerbrechen bereiten. Heute herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass die R1 nicht allererste Wahl für ein Ringmotorrad ist, nicht nur aufgrund des hohen Gewichts von 214 Kilo vollgetankt. (Gemessen von der MOTORRAD Redaktion)

Ob es das tiefe Blau war, in dem ich mich verlor, die violett schimmernde Titan(!)-Auspuffanlage, die mich verzauberte, oder der fokussierte Blick der einzigartigen, großen Augen, die mich in ihren Bann zogen - ich war sofort hin und weg von der R1. Es war, als hätte ich eine alte, hässliche Klassenkollegin nach Jahren wieder getroffen und sie arbeitet jetzt als Model. Was war nur mit mir los gewesen? Ganz offensichtlich war die Rennstrecke nicht der richtige Ort und der März 2009 nicht die richtige Zeit, doch hier und jetzt war es Liebe auf den zweiten Blick. Wer weiß, hätte mich die Redaktion von PS - Das Sportmotorradmagazin nicht nach Stuttgart zu Hilfe geholt, ich wäre vielleicht nie wieder auf diesem Motorrad gesessen.

Schon allein der Krümmer wegen.

Die fetzige Schrift ist der Ablesbarkeit abträglich.


Es war Liebe auf den zweiten Blick.


Die deutschen Kollegen und ich verglichen ein paar gewöhnliche und ein paar ungewöhnliche Straßenmotorräder miteinander, indem wir einfach zu acht in den Schwarzwald fuhren. Zunächst versuchte ich, die beiden Supersportler CBR600RR und R1 zu meiden und hielt mich an Nakedbikes und Big Enduros / Supermotos. Doch irgendwann ließ es sich nicht mehr vermeiden und ich fand mich im Sattel der Yamaha wieder. So gerne ich ihr beim Fahren zusah und das Design bewunderte, so ungern wollte ich mich damit durch die engen Landstraßenkurven quälen. Zumindest dachte ich, dass es eine Qual werden würde. Aber schon auf den ersten Metern ereilte mich der erste Höhepunkt und ich bekam diese seltsame Atemnot.

Eine Begierde, die Schmerzen verursacht.


Wenn ich beginne zu begehren, vergesse ich zu atmen. Eigentlich kann ich dann gar nicht mehr atmen, weil mir das Verlangen den Brustkorb zuschnürt und mein Herz als Geisel nimmt (das war jetzt extrem homo, sorry). Dazu kommt ein beinah unerträglicher, innerer Schmerz, der durch das Wissen entsteht, dass ich mir das Objekt der Begierde nie werde aneignen können, weil ich keine Kohle habe. Dann muss ich meinen Geist auf jenes unbezahlbare Privileg lenken, das es mir erlaubt, fast jederzeit auf fast jedes Motorrad zugreifen  und mich auf ihm austoben zu können und schon bin ich wieder ein kleines Bisschen weniger unglücklich. Die R1 schaffte es, Emotionen in mir zu wecken, wie es andere glatt gebügelte, vibrationsfreie, im Windkanal geschliffene nie vermochten.

Wieso ich die Leistungsspitze nicht erkannte? Weil die Leistung schön über das Drehzahlband verteilt wurde. Schon in für ein hochgezüchtetes Vierzylinder Aggregat niedrigen Drehzahlen hat man genügend Schmalz parat, um durch das engmaschige Asphaltband im Butterblumenfeld zu fräsen, ohne Staccato mit dem Getriebe spielen zu müssen. Im Gegensatz zum herrlich inhomogenen Sound, den ich ebenfalls erst lieben lernen musste, ist die Kraftentfaltung geschmeidig, wenn auch recht kräftig. Aus engen Ecken kann man sich bei unvorsichtiger Bedienung kräftig rauskatapultieren, aber das sportlich straffe Fahrwerk, 43 mm Upside-Down und voll einstellbares Federbein, hat auch forsche Manöver bestens im Griff. Genauso wie die hervorragenden Bremsen, die in hohem Maße Druck, Dosierbarkeit und Transparenz liefern, um die R1 herrlich über das Vorderrad dirigieren zu können. Bei diesem spitzen Gesamtpaket (für die Straße) und all den einzigartigen Details, welche die R1 liefert, ist der Aktionspreis von 13.999 (Ö, Modell 2009) eine doppelte Okkasion.

"Nur" 310er Scheiben und 4-Kolben,
aber herausragende Bremsleistung. Die gold eloxierte Gabel ist nur eines von vielen, feinen Details.


Yamaha R1 probefahren.



Interessante Links:

Text: kot
Fotos: PS Sportmotorradmagazin

Fazit: Yamaha R1 2011

Werde innovativ! - Bei diesem spitzen Gesamtpaket (für die Straße) und all den einzigartigen Details, welche die R1 liefert, ist der Preis eine echte Kampfansage.


  • Akzeptabler Sitzkomfort
  • sehr leistungstauglich
  • interessantes Fahrgefühl
  • hervorragende Bremsen
  • niedriger Preis
  • Optisch nicht allzu anspruchsvoll - subjektiv
  • Konzept vollkommen irritierend.

Bericht vom 17.06.2011 | 10.185 Aufrufe

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