Ducati Diavel

Am Flugfeld in Wr. Neustadt versucht kot mit der Diavel in den Himmel aufzufahren. Und scheitert.
 

Ducati Diavel

Wer die Diavel voll ausbeschleunigen will, der sollte einen Flugplatz bei der Hand haben.

 
Sie kann mehr, als man glauben mag und noch mehr, als man befürchten möchte. Doch jedes Wesen mit einem so stark ausgeprägten Charakter wie die Diavel drängt entschlossen in ein Extrem, in eine unausweichliche Richtung und geht den ihm vorbestimmten Weg. Mit einer Supermoto wird man verbissen nach Kurven suchen, mit einem Nakedbike sich an Wheelies probieren und mit einem Supersportler früher oder später die Heraus-forderung auf der Rennstrecke annehmen. Wir Motorradfahrer sind stärker mit dem Schicksal verbunden, als andere. Denn es ist ganz sicher so, dass die Diavel mich auserwählt hat - und nicht umgekehrt.

Bei all seinen teuflischen Fähigkeiten zieht es Ducatis Powerbike immer nach vorne, und der kürzeste Weg dorthin ist im nicht gekrümmten Raum bekanntlich eine Gerade. Beim Nachdenken über die längsten Fotokastl freien Geraden im Osten Österreichs fiel mir ein Werbesujet aus dem Jahre 2002 wieder ein. Audi bewarb den 450 PS starken RS6 damals treffend mit "Was Piloten fliegen, wenn sie fahren." Das passt nicht nur ebenso gut zur Diavel, die Diavel passt auch zur Fliegerei. Denn nur auf einer 2 km langen, kerzengeraden Start- und Landebahn kann man den 162 stampfenden Pferden rücksichtslos die Desmo-Sporen geben. Es war allerdings höchst unwahrscheinlich, dass der Flugverkehr in Wien auf anonyme, telefonische Anfrage von 1000PS ("... ein paar Pakete platziert ... räumen sie lieber schnell alles ... noch nie Stirb Langsam 2 gesehen?") für 2 Stunden unterbrochen werden würde.


Was Piloten fliegen, wenn sie fahren.


Doch Wien ist nicht das Zentrum meiner Welt und nicht meine letzte Chance. Das Zentrum meiner Welt - und auch meine letzte Chance - ist in Wiener Neustadt und heißt 1000PS. Am Ortsrand dieser manchmal schönen Stadt ist eine weitere österreichische Firma beheimatet, die am nationalen Markt eine Sonderstellung genießt. Diamond Aircraft ist der einzige Flugzeughersteller der Republik. Im Jahr 1998 übernahm Diamond den Flugplatz Wiener Neustadt-Ost (LOAN), in dessen Nähe schon 1987 eine Produktionsstätte errichtet worden war. Die Diavel hatte ihre Bestimmung gefunden und ich musste ihr nur folgen.

Die Landebahn macht sich vor mir breit wie der 240er Pirelli im Heck der Ducati. Ich kann das Ende erahnen, die Länge der Plattform aber unmöglich schätzen, weil es kaum Anhaltspunkte gibt. 3 bis 4 Viertelmeilen vielleicht. Flugzeuge stehen Spalier und scheinen gespannt auf die Vorstellung des flügellosen Eindringlings zu warten. Gespannt war auch ich. Wie schnell würden mir die 162 PS den Horizont entgegen ziehen? Werde ich ohne Traction Control rückwärts köpfeln? Oder die 3 Sekunden Marke knacken? Und wann würde die Kupplung Meier sein? Dem Geruch nach zu urteilen war nach dem dritten Start die Kupplung im fortgeschrittenen Endstadium. Das wusste ich aber schon vorher, weshalb ich nie mehr als drei Versuche im Sinn hatte. Nun zählt die Beschleunigung aus dem Stand nicht gerade zu den großen Kunststücken im motorisierten Zweiradzirkus. Sollte man meinen.


Strenger Kupplungsgeruch nach 3 Versuchen.


D für Ducati.

Spontane Ampelduelle haben nichts mit echter Beschleunigung zu tun. Wer stolz darauf ist, auf der Triester einen E36 mit 400.000 Kilometern von 8 Vorbesitzern und vier Insassen vom Bosporus zu verblasen, der kennt nicht die wahre Welt des Speeds. Und wer behauptet, er käme mit seinem Supersportler tatsächlich an die 3 Sekunden Marke heran, der ist entweder ein richtiger Rennfahrer oder paranoid. Ein Testfahrer von Ducati soll mit der Diavel eine Zeit von 2,6 Sekunden von 0 auf 100 markiert haben, bei entsprechenden Tests in Deutschland lag man deutlich darüber.

Das Powerbike aus Bologna scheint die besten Voraussetzungen für die Viertelmeile mitzubringen. Lange Schwinge, breiter Reifen, massig Muskeln und eine regelbare Traktionskontrolle. Leider hilft dir die Elektronik Null, weil du dich auf dem schmalen Grat zwischen Durchziehen und Durchdrehen nur alleine bewegen kannst. Ein bisschen Schlupf schluckt die DTC (Ducati Traction Control) in der kleinsten Stufe zwar, sobald dieser aber zu groß wird, regelt sie so stark, dass du sofort verloren hast. Da ist es besser, mit dem geschulten Handgelenk das Gas minimal zurückzunehmen und den Schlupf zu verringern, um den Druck nicht abfallen zu lassen. Leichter gesagt, als getan, denn immerhin reicht das Leistungsspektrum von 0 bis 162, was man über ein paar Grad Winkelweg abrufen kann - oder eben nicht.


Der schmale Grat zwischen Durchziehen und Durchdrehen.


Wie schwierig es ist, die maximale Leistung aus dem Ruhezustand auf die Straße zu bringen und wie sehr es auch hier mehr auf den Fahrer als auf sonstwas ankommt, zeigte ein Beschleunigungsvergleichstest einer österreichischen Motorradzeitschrift vor einigen Jahren. Der Rennfahrer war auf fast jedem Motorrad - egal ob 180 PS R4 oder 60 PS Einzylinder - am schnellsten auf Tempo Hundert. Danach verschiebt sich das Feld natürlich wieder der Leistung entsprechend. Doch auf den ersten Metern entscheidet die Kunst an der Kupplung und die glaubt man nur zu beherrschen. So richtig beschleunigt man nämlich erst, wenn man voll eingekuppelt hat und nur mehr am Gasgriff ziehen muss. Was sich davor abspielt, ist eher erbärmlich und fühlt sich so an, als würde man unter Wasser losrennen wollen.

Unter großer Angst zieht sich der Mensch gerne in die Embryonalstellung zurück. Beim Motorradfahren bedeutet das die geistige und motorische Zurückversetzung in das Fahrschulalter. Das vermeintlich in Fleisch und Blut übergegangene Zusammenspiel von Gas und Kupplung gleicht nun dem Entschärfen einer Bombe mit Boxhandschuhen. Der Tunnelblick wird plötzlich zum notwendigen Focus aus Mangel an einem konkreten Ziel. Bis 250 schiebt die Diavel druckvoll nach vorne, dass die Augäpfel kurz die Form einer Halbkugel annehmen. Das Gesäß fest in der Sitzwanne verankert, stemme ich meinen Körper mit aller Kraft gegen die Faust im Nacken. Nach 200 Metern scheint der Horizont unverändert, nach 400 auch. Mit zunehmender Geschwindigkeit zieht sich der riesige Betonstreifen immer mehr zusammen.


Die Brembos haben den Horizont angehalten.


Die Fahrbahnränder rücken näher zusammen, die Umgebung entfernt sich und verschwindet irgendwann in der Bedeutungslosigkeit. 250. Alles fließt, sagt Heraklit, ohne Windschutz ziemlich laut. Hätte man mehr Zeit, man könnte tatsächlich zu philosophieren beginnen. Aber da vorne ist irgendwann Ende, nur hat man keine Ahnung, wo. Sobald man von der Orientierungslosigkeit in die Panik kippt, geht man in die Eisen, viel zu früh, denn die 4-Kolben-Radial-Monoblock-Bremszangen mit zwei 320 mm Scheiben liegen auf Supersportniveau. Kurze Atemlosigkeit, dann Stillstand. Die Brembos haben den Horizont angehalten. Ich drehe im großen Bogen um und erkenne jetzt wieder, wie breit und lang dieser Streifen tatsächlich ist. Ich habe bei Weitem nicht die gesamte Länge der Bahn genutzt. Die Kupplung stinkt, mein Körper zittert. Irgendwo da vorne ist das andere Ende. Mal schauen, wie nahe ich ihm diesmal komme...

Technische Daten Ducati Diavel

Motor 90°-V2 4-Takt-11°-Testastretta-Motor, Wasserkühlung
1198,4 ccm - 106,0 mm Bohrung - 67,9 mm Hub - Verdichtung 11,5:1 (±0,5)
Ventilsteuerung 4-Ventil-DOHC-Desmodromik, Ventilhub: 12,2 mm (E) - 11,2 mm (A)
Ventildurchmesser: 43,5 mm (E) - 35,5 mm (A)
Einlass öffent 4° v.o.T., schließt 58° n.u.T. - Auslass öffnet 58° v.u.T., schließt 7° n.o.T.
Leistung 162 PS - 119 kW bei 9.500 Umin / 127,5 Nm Drehmoment bei 8.000 Umin
Kraftübertragung hydraulisch betätigte Anti-Hopping Mehrscheiben-Kupplung im Ölbad mit Servo-System
Antriebskette 530 (5/8 x 3/8)
Rahmen ChroMo Stahlrohrrahmen (ALS 450), 35° Einschlag, 28° Lenkkopfwinkel
Aluminium-Einarmschwinge
Gabel Marzocchi USD-Gabel mit DLC Beschichtung einstellbar in Zug-, Druckstufe und Vorspannung
50 mm Standrohrdurchmesser, 120 mm Federweg
Federbein Progressives Sachs Mono-Federbein verstellbar in Zug-, Druckstufe und Vorspannung
120 mm Federweg
Reifen 120/70-ZR17 vorne, 240/45-ZR17 hinten
Bremse vorne Zweischeibenbremsanlage mit Brembo-Bosch ABS-System, 320 mm Bremsscheiben (schw.)
Brembo M4.34A 4-Kolben-Radial-Monoblock-Bremszangen, Brembo Radial-PR18/19 Bremszyl.
Bremse hinten Einscheibenbremsanlage mit Brembo-Bosch ABS-System, 265 mm Bremsscheibe (schwimmend)
Brembo PF30/32 2-Kolben-Bremszange, Brembo PS13 Bremszylinder
Gewicht 207 Kg (210) Trockengewicht , 400 Kg Höchst zulässiges Gesamtgewicht
Abmessungen 2.257 mm Länge, 945 mm Breite, 1.192 mm Höhe, 1.590 mm Radstand, 770 mm Sitzhöhe
Tank 17 Liter
Service 1.000 und alle 24.000 Km (Ölwechsel alle 12.000 Km) oder Jahresservice

Video: Ducati Diavel - 1000PS TV




Interessante Links::

Text: kot

Fotos: volli

   

Fazit: Ducati Diavel 1200 2011

Wer die Diavel voll ausbeschleunigen will, der sollte einen Flugplatz bei der Hand haben. Um das vollständige Beschleunigungsvermögen auszunutzen, muss man allerdings schon fast Rennfahrer sein.


  • Lange Schwinge
  • breiter Reifen
  • massig Muskeln
  • regelbare Traktionskontrolle.
  • Kompliziert, die Leistung auf die Straße zu bringen

Bericht vom 26.05.2011 | 8.242 Aufrufe

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