Suzuki GSX-R600/750

Kann man sich zwischen zwei so wunderbaren Schwestern entscheiden? Wir klären auf.
 

Suzuki GSX-R600 & GSX-R750

Wenn sich zwei streiten...freut sich die Mitte. Aber welche Mitte ist die bessere?
 
Ich kenne das Gefühl, zwischen den Fronten zu stehen. Inmitten von rechts und links, zwischen wahr und falsch, schwarz und weiß. Denn auch ich habe zwei Geschwister. Der große Bruder war sich seiner Stärke immer bewusst und wurde dafür auch bewundert und verehrt. Niemand belächelte ihn oder wagte es, seine Stärke zu bezweifeln. Der kleine dagegen hatte den Vorteil, dass er sich aufgrund seiner Größe kaum beweisen musste, weil man ohnehin nicht allzu viel von ihm erwartete. Doch für das, was er leistete, bekam er umso mehr Applaus und Wertschätzung.

Und dann war da noch ich, der immer mehr sein musste, als der Kleine und von dem mindestens soviel erwartet wurde, wie vom Großen. Die Mehrleistung gegenüber dem Unterlegenen kann die Unterlegenheit gegenüber dem Überlegenen aber niemals wettmachen. Also tut man sich am besten mit dem Kleinen zusammen, um den Großen zu dögeln. Leider entstehen Konflikte auch im Angesicht eines gemeinsamen Feindes. GSX-R600 gegen GSX-R750.

125-150-185. Das sind nicht die Maße der 1000PS Empfangsdame (die sind 90-60-90) , sondern die Leistungsangaben der aktuellen Suzuki GSX-R Modelle in PS. Ich rechne das mal vor. Die 750er hat also 35 PS weniger als die 1000er, aber nur 25 mehr als die 600er, trotzdem wird sie gerne näher bei der 1000er positioniert. Der Grund dafür dürfte sein, dass bei ihr die Angst beginnt.


Bei der 750er beginnt die Angst.


Wer das Motorradfahren im Allgemeinen und das Bewegen sportlicher Motorräder im Speziellen im Griff hat, der wird auch mit der neuen 600er GSX-R mit 125 PS auf nur mehr 187 kg vollgetankt keine Probleme haben. Das Problem wird eher sein, mit dem radikalisierten Handling verantwortungsvoll umzugehen. Bei der 750er ist das andersrum. Das Handling ist kontrollierter, verlangt nach zwei führenden Händen und reagiert berechenbarer. Bei der Kraft erreicht sie aber schon einen Punkt, wo man nicht nur mehr vorbehaltlos von Spaß reden kann. Auf den kurzen Zwischengeraden am Pannoniaring wird das noch nicht so deutlich wie zum Beispiel in Brünn oder am Slovakiaring.

Die zwei Schwestern sind sich nur auf den ersten Blick sehr ähnlich. Sie sind gleich lang, gleich breit und gleich hoch. Nur der Radstand ist bei der 600er mit 1385 um 5 mm kürzer. Man sitzt auf beiden exakt auf einer Höhe von 810 mm und kann 17 Liter in den Tank füllen, im Sitzen oder im Stehen. Bei einem Topspeed von ungefähr 253 km/h müssen sich die beiden von einander trennen und die 750er zieht mit bis zu 272 km/h davon. Sie muss dabei um 3 Kilo mehr Gewicht mit sich führen. Beide Modelle haben eine rigorose Schlankheitskur hinter sich und verloren dabei 9 (GSX-R600) bzw. 8 Kilo. Mit einem leichteren Rahmen, einer neuen Schwinge, Titan-Auspuff und leichteren Felgen hält die 600er derzeit bei 187 Kilo vollgetankt, die 750er bei 190. Es sind also wieder die rotierenden Massen im Motor, die den feinen Unterschied machen. Das Handling der 600er gehört zum Besten, was es im Moment zu kaufen gibt, für die 750er gibt es aufgrund der Alleinstellung sowieso keinen Vergleich.

GSX-R750. Ihr Aussehen entspricht ihrem Charakter. Weniger verspielt, kontrollierter, mit dem gewissen etwas mehr an Bumms.


Biggest losers: Gemeinsam 17 Kilo abgespeckt.


 
Genetisch teilen sie sich also die Stammzellen, nur ihre charakterlichen Eigenschaften sind verschieden stark ausgeprägt. Die 600er schreit heiserer und mitunter Nerven zerreißend, weshalb ich mit meinem Dauertester versuche, im Alltag Drehzahlen um die 5.000 Touren zu vermeiden. So sehr man dieses böse Gekreische genießen kann, so sehr kann es einen zum Wahnsinn treiben. Man muss diese Orgelei lieben, darf kein Problem damit haben, auch mal den 1. Gang bis in den Begrenzer auszuquetschen, wenn die Nadel an den 15.000 Umdrehungen pro Minute vorbei in den roten Bereich wandert. Wer das schmerzfrei schafft, wird allerdings belohnt. Am Pannoniaring konnte ich mit der kleinen Gixxer sogar eine ZX-10R ärgern (Beide Fahrer mit ähnlichem Fahrkönnen, mehrere gegenseitige Überholmanöver, ständige Sturzgefahr, einmal am Ausgang zur Start-Ziel die Strecke verlassen. Völlig unnötiges High-Risk-Duell.)

Die 750er klingt da ein wenig erträglicher und erspart dir in mancher Kurve den 1. Gang, schließlich stehen hier gut 17 Nm mehr Drehmoment zur Verfügung. Das verzeiht den einen oder anderen Schaltfehler, auch wenn's selbst beim Dreiviertelliter erst bei über 5.000 mit dem Druck losgeht. Den wahren Vorteil bringt das natürlich nur im täglichen Gebrauch, denn auf der Rennstrecke sollte man sich ohnehin eher im 5-stelligen Drehzahlbereich bewegen. Um die Unterschiede der beiden Schwestern herauszufiltern, bedarf es einer unendlichen Anzahl an Testrunden, man pendelt zwischen "eh fast gleich" und "irgendwie total anders". Und das ist das Schöne an Suzukis Supersport Stall. Während man sich bei anderen Herstellern zwischen 125 und 185 PS entscheiden muss, bietet sich mit der GSX-R750 eine Alternative zu beiden Gewichtsklassen an, was dann die Auswahl nicht unbedingt leichter, aber größer macht. Wofür man sich entscheidet, ist einzig und allein von den persönlichen Präferenzen abhängig.

 
 
Nicht ganz für die Competition geeignet sind die Bridgestone BT-016, die auf beiden Modellen, allerdings in unterschiedlichen Spezifikationen, montiert sind. Indes der Pneu auf der Straße mit kurzer Aufwärmzeit und gutem Nassgrip punkten kann, geht ihm unter Druck bald die Luft aus. Für einen richtigen Einsatz am Ring empfehlen sich zumindest ein BT-003 Racing Street (Kompromiss Straße-Rennstrecke) oder - für ernstere Unternehmungen - der BT-003 Pro und der neue R10.

Zum Ende des Tages hat das hin-und-her Pendeln nicht nachgelassen. Die 600er ist das jüngere, spritzigere Eisen, das verrät allein schon die Lackierung. Die 750er wirkt zwar reifer und beruhigter, verfügt dafür aber über die Potenz, hin und wieder bei den Großen mitmischen zu können. Meine Wahl: Für Rennstrecken wie den Pannoniaring die 600er, für Brünn, Slovakia oder Salzburg die 750er. Und für die Straße auch.

 


Technische Daten Suzuki GSX-R600 & GSX-R750
  GSX-R600 GSX-R750
Motor 4-Zylinder Reihenmotor, 4-Takt, 16V, DOHC, wassergekühlt 4-Zylinder Reihenmotor, 4-Takt, 16V, DOHC, wassergekühlt
Hubraum 599 ccm 750 mm
Bohrung x Hub 67 mm x 42,5 mm 70 mm x 48,7 mm
Leistung 92 kW (125 PS) bei 13.500 U/min 110,3 kW (150 PS) bei 13.200 U/Min
Drehmoment 69,6 Nm bei 11.000 U/min 86,3 Nm bei 11.200 U/Min
Verdichtung 12,8:1 12,5:1
Gemischaufb. SDTV Benzineinspritung, 40 mm mit ISC Leerlaufregelung SDTV Benzineinspritung, 42 mm mit ISC Leerlaufregelung
Antrieb 6-Gang, Kette 6-Gang, Kette
Rahmen Twin-Spar Diamond, Aluminium Twin-Spar Diamond, Aluminium
Gabel BPF (Big Piston Fork) Upside Down Gabel 41mm. Voll einstellbar BPF (Big Piston Fork) Upside Down Gabel 41mm. Voll einstellbar
Federbein  Zentralfederbein. Voll einstellbar. Zentralfederbein. Voll einstellbar.
Reifen vo.  120/70ZR17 120/70ZR17
Reifen hi. 180/55ZR17 180/55ZR17
Bremsen vo.  von Brembo 2 Scheibenbremsen 310 mm, 4-Kolben, Radial montiert 2 Scheibenbremsen 310 mm, 4-Kolben, Radial montiert
Bremsen hi. 1 Scheibenbremse 220 mm, 1-Kolben-Bremssattel 1 Scheibenbremse 220 mm, 1-Kolben-Bremssattel
Länge  2.030 mm 2.030 mm
Breite 710 mm 710 mm
Höhe 1.135 mm 1.135 mm
Radstand 1.385 mm 1.390 mm
Sitzhöhe 810 mm 810 mm
Gewicht fahrfertig 187 kg 190 kg
Topspeed ca. 253 km/h ca. 272 km/h
Tankinhalt ca. 17,0 Liter  

Fotos: 1000ps

Autor

Bericht vom 24.05.2011 | 19.623 Aufrufe

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