Suzuki GSR750 am Ring

Im Ringkampf mit Honda Hornet und Yamaha FZ8. Was kann die GSR auf der Rennstrecke?

Die GSR fühlte sich auf der Rennstrecke wohl wie das Vieh auf der Weide.

 

Suzuki GSR750

Zeit, die Diskussionen über den - durchaus angemessenen - Preis der GSR750 abzuschließen. Zeit, sich nach emotional-erhitzten Streitgesprächen zu Design von Schwinge und Blinker auf den Begriff "funktional" für deren Beschreibung zu einigen. Zeit, ernst zu machen. Zeit für die Rennstrecke.
   
Um einen Wert zu beschreiben, muss ich ihn in Relation zu mindestens einem anderen Wert stellen, wobei sich die Werte gegenseitig durch Höhe und Häufigkeit beeinflussen, oder so. Ich kann nicht sagen, ob das stimmt, das können sicher nur die klügsten Köpfe im CERN oder am MIT, aber ich kann beschreiben, was ich damit meine. Wer direkt von einer GSX-R750 auf eine GSR750 umsteigt, der wird nicht nur den Windschutz vermissen, sondern vor allem richtig Leistung, hervorragende Bremsen und ein rennstreckentaugliches Fahrwerk - alles Eigenschaften, die man zuvor schon an der GSR750 im Vergleich zur Honda Hornet festgestellt hatte. Aber nach der Fahrt im Sattel von Suzukis goldener Supersport-Mitte ist das jetzt auch nicht mehr so toll. Capiche?

Nach dem ersten Rollout auf dem Pannoniaring konnten wir deshalb anfangs nur Vermutungen aufstellen. Das in die GSR750 verpflanzte und auf 106 PS Leistung heruntergezüchtigte 4-Zylinder Aggregat aus der GSX-R750 hat scheinbar genug Kraft, um auch auf der Rennstrecke viel Freude zu machen. Der Motor verhungert nie, hatte am Kurvenausgang immer fett Schmalz und hielt auch auf den Geraden, was die aggressive Optik verspricht. Ebenso liefert die Bremse, so glaubten wir, ausreichend Beißkraft und Dosierbarkeit, um auch unter höchster Belastung noch für Halt zu sorgen. Erst wenn die Sessions lange werden, wird die Bremse teigig. (siehe dazu Thema Verbesserungs-Investments). Diese Vermutungen erhärteten sich in ausgiebigen Einzelsessions und hielten auch bei einer deutlichen Erhöhung des Drucks allen Gegenargumenten Stand. Was die GSR wirklich kann, wurde aber erst im direkten Vergleich zu zwei Konkurrenzmodellen klar.

Out of my way!!!
Please.

Analoge Drehzahl, digitaler Tacho, Ganganzeige mittig. Eine vorbildliche Instrumenteneinheit.


Am Kurvenausgang immer fett Schmalz.


Optisch liegt die GSR750 ganz weit vorne, obwohl wir dieses Urteil natürlich den Augen der Betrachter überlassen wollen. Es sieht jedenfalls nicht so aus, als wollte man mit der neuen GSR, die nächstes Jahr die 600er komplett ersetzt, Bescheidenheit und Zurückhaltung vortäuschen. Die Sitzposition findet man im Lehrbuch für Motorradgeometrie unter SO wirds gemacht! Leicht nach vorne orientiert, trotzdem entspannt, den Lenker exakt dort, wo man ihn blind greifen würde. Dem Motor aus der GSX-R wurde Leistung genommen und noch mehr Geschmeidigkeit verliehen. Das Erste vermisst man nicht, das Zweite genießt man umso mehr.

Es galt, noch eine Behauptung auf ihre Richtigkeit zu prüfen: Was im vollverkleideten Supersport-Anzug die goldene Mitte ist, entspricht auch im nackten Zustand dem Ideal. Beim Motor ist das unbedingt zu bejahen. Nicht umsonst entwickeln und bauen immer mehr Hersteller Modelle in der nicht mehr so grauen Zone zwischen 600er und 1000er. Es sind exakt diese Kubaturen, die beweisen, dass es ein Vorteil sein kann, viel, aber nicht zuviel Leistung zu haben. Einem GSX-R Triebwerk macht sowieso niemand was vor und so überraschte es kaum, dass die GSR trotz Leistungsgleichstand mit der FZ8 die subjektiv stärkste, auf jeden Fall aber die schnellste Nackte auf der Strecke war. Als zweites Vergleichsobjekt stand uns die Honda Hornet zur Verfügung. Deren 600er Murl leistet zwar um nur 4 PS weniger, Druck entsteht aber durch Drehmoment und das kann die Hornet nicht in dem Maße liefern, wie die GSR. Bei den Bremsen waren alle Probanden auf der sicheren Seite, der gnadenlose Rennstreckeneinsatz führt aber jede kleine Schwäche zu Tage, bei den Bremsen meist durch die Dauerbelastung. NastyNils fuhr mit der serienmäßigen GSR 750 am Pannoniaring beim freien Fahren recht locker eine 2:16er Zeit. Das stellt bestimmt nicht das Ende der Fahnenstange dar, zeigt aber, dass man damit schon viel Spaß haben kann.

Passt genau zwischen die Schenkel.
Die Sitzposition ist nach vorne orientiert,
der Fahrer in einer leichten Angriffposition. Auf Alltagstauglichkeit wurde trotzdem nicht vergessen.

Nicht das einzige 750er Nakedbike am Markt,
aber das einzige mit einem GSX-R Motor. In den Supersportlern klingt es deutlich rauer.

 

Die GSR signalisiert nach jeder Runde, dass noch mehr geht.


Unser erster Investment-Tipp lautet daher: Stahlflexleitungen (zb. die von Alpha Technik, hier der direkte Link) und sportliche Bremsbeläge (z.B. die von SBS hat so ziemlich jeder gute Fachhändler parat) für die GSR750. Die Kosten sind absolut überschaubar, nur beim Einsatz auf der Strasse ist dann eben deutlich mehr Vorsicht angesagt. Dann ist sie auch für längere Extrembelastungen gerüstet und hat gegenüber ihren Konkurrentinnen schon beinahe einen unfairen Vorteil.  Denn auch das Fahrwerk ist straffer und sportlicher ausgelegt als bei den beiden anderen Japanerinnen. Die Suzuki geht an alles etwas ernster heran, fordert jede Kurve heraus und signalisiert dem Reiter nach jeder Runde, dass noch mehr geht. Über die  Fußrasten, die auch bei ziemlichem Engagement nicht aufsetzten, und den Lenker, der so breit ist, wie sich das für ein ausgewachsenes Nakedbike gehört, lässt sich das quirlige Motorrad wunderbar kontrolliert manövrieren. Alles in allem bietet die GSR auf öffentlichen Straßen bestimmt genug Potenzial für jede Leistungsstufe. Quod erat demonstrandum.

Auf der Rennstrecke mit ein paar kleinen Upgrades
vorn dabei, auf der Straße sowieso.

 
Wer jedoch seine Rundenzeiten unter 2:10 drücken möchte, muss noch weitere Investments anstellen. Andere Reifen braucht man dann sowieso. Wir empfehlen bei Naked Bikes eher immer Reifen mit weicheren Karkassen, damit die Schwächen vom Fahrwerk nicht so rauskommen. Also z.B. einen Racetec von Metzeler oder einen BT-003 von Bridgestone. Die scharfen Dunlop Pneus sind vor allem mit dem infernalen Vorderrad eine feine Wahl, aber bitte nur in Kombination mit einem makellosen Fahrwerk aufziehen. Verbesserungen am Fahrwerk kann man relativ günstig durch den Einsatz von Öhlins Gabelfedern an der Gabel erzielen. Zusätzlich dazu wird ein dickeres Öl eingefüllt und die Sache ist schon mal deutlich straffer. Beim Federbein hatten Wilbers und auch WP für die 600er GSR unter 900 Euro eine tolle Lösung parat. Kein echtes Racingfederbein, aber doch eine deutliche Steigerung zur Serienwahre ist die günstige Lösung, die Öhlins seit 2010 im Mittelklasse bereich anbietet. >Infolink. Erste Angebote für die 750er GSR wird es bei allen Anbietern vermutlich ab Sommer geben.
 

Die GSR und ihr Samenspender. Tatsächlich steckt viel von der GSX-R750 in der nackten Schwester.


Honda Hornet
Ihr größtes Problem auf der Rennstrecke ist ihr größter Vorteil im Alltag. Die Hornet ist von den drei getesteten Nakedbikes mit Abstand die Bequemste. Alles an ihr ist darauf ausgerichtet, den Fahrer in möglichst geringer Weise zu belasten und ihn frei zu machen für den fast risikofreien Genuss des Motorradfahrens. Der Lenker ist schmäler und besser zu erreichen, das Fahrwerk ist sehr komfortabel ausgerichtet, der Sitz ist weich und hält den Popo durch den gummiartigen Überzug in Position. Das bedeutet kein Herumrutschen, was auf der Rennstrecke, besonders auf einem Nakedbike und besonders für Gesäßakrobaten wie mich, zum Nachteil mutiert. Am meisten irritierte uns aber die Beifahrerfußrastenanlage, die das Eindrehen des jeweils kurvenäußeren Fußes beim Hang-Off verhindert. Im Alltag wie gesagt alles kein Thema, für die Rennstrecke disqualifiziert die Hornet aber die Summe ihrer Annehmlichkeiten.

Positiv aufgefallen ist neben dem vibrationsarmen Triebwerk, dass sich das ABS nie in unsere durch interne Klassenkonflikte angeheizte Duelle eingemischt hat. Zudem ist die Verarbeitungsqualität Honda typisch hoch und mit ein paar Teilen aus dem Zubehörprogramm ist die Hornet eine zuverlässige Begleiterin für viele, viele Jahre. 13 erfolgreiche Jahre am Markt und stetige Weiter-entwicklung sprechen für sich. Schlussendlich ist die Hornet sicher das am einfachsten zu fahrende Nakedbike dieser Runde und auch das ausgereifteste.

Investment Tipp für die Rennstrecke: härtere Gabelfedern, Federbein tauschen, Sitzbezug wechseln, LSL Lenker. Für die Optik und natürlich auch fürs Ego hat Gilles feine Hebeln im Programm. Link

Die Hornet ist eindeutig auf öffentlichen Straßen zu Hause, für die Rennstrecke will sie es ihrem Fahrer zu bequem machen.


Yamaha FZ8
Auch Yamahas 800er ist ein Mittelwert. Der genaue Hubraum beträgt 779 Kubik. Sie bildet die Schnittmenge von XJ6 und FZ1 und muss gegen beide schlagende Argumente finden, um zu überleben. Zwei davon sind Kraft und Drehmoment. Die brachiale Endstufe der FZ1 (am besten mit kompletter Akrapovic Anlage, um das Drehmomentloch auszubügeln) kann sie zwar nicht zünden, durch den Hubraumvorteil liegt sie aber klar über der XJ6. Mit 106 PS und 82 NM hebt sich die FZ8 somit deutlich von der konzerninternen Mittelklasse-Konkurrenz ab. Gegen die Hornet hilft ihr nur mehr das Drehmoment, denn die Hornisse leistet schon 102 PS. Der Leistungs-vorteil schrumpft gegen die GSR auf gleich Null - gleiche PS, 2 Nm mehr bei der Yam - und beide Marken geben sogar exakt 211 Kilogramm in fahrfertigem Zustand und ohne ABS an. Wo liegt also der Unterschied?

Der Unterschied liegt wie immer in der Mitte, denn genau dort muss die FZ zwischen GSR und Hornet angesiedelt werden. Ihr Fahrwerk ist der Kompromiss zwischen den beiden anderen, der Komfort ebenso. Dass sie Renn-strecken ebenfalls eher meidet, beweisen die Fußrasten, die sich völlig überraschend schon bei moderater Schräglage zu Wort melden. Das erzeugt nicht nur jedes Mal ein kurzes Schreckmoment, sondern bringt Unruhe in das zwischen weicher Härte und fester Milde abgestimmte Fahrwerk. Beim Einlenken gibt sich die FZ8 schwerfälliger als die anderen beiden und schwanzelt in der Bremszone gerne mal leicht mit dem Heck. Doch wie die Hornet ist auch sie ein Top-Eisen für die öffentliche Straße, bewältigt den stressigen Büro-Alltag genauso locker wie entspannte Ausfahrten und Reisen. Zu zweit das beste der drei Nakeds. Bei den Details macht sie einen liebevollen und hochwertigen Eindruck. Sie wirkt etwas edler als die anderen beiden Bikes und 

Investment Tipp: Rizoma bietet ein sündhaftes Sortiment für die FZ8 an. Vorsicht! Suchtgefahr. Link

Die FZ8 ist ein Motorrad mit Haltung, das bereit ist, Kompromisse einzugehen.
Sie bietet die größte Bandbreite an Einsatzmöglichkeiten. Wer mit Sozia fährt,
ist bei ihr am besten aufgehoben.

Im Alltag gleich auf, im Infight hat die FZ gegen
die GSR und ihr sportlich ausgelegtes Handling keine Chance. Rein subjektiv wirkt deshalb die GSR stärker,
obwohl sie es nicht ist.


Interessante Links:

Fotos: 1000PS
Text: kot

Fazit: Suzuki GSR 750 2011

Dem Motor aus der GSX-R wurde Leistung genommen und noch mehr Geschmeidigkeit verliehen. Das Erste vermisst man nicht, das Zweite genießt man umso mehr. Alles in allem bietet die GSR auf öffentlichen Straßen bestimmt genug Potenzial für jede Leistungsstufe und auch Rennstrecken ist man mit ihr gewiss auch nicht falsch.


  • Leistungsfähiger Motor
  • aggressive Optik
  • optimaler Komfort
  • straffes, sportliches Fahrwerk
  • Für extreme Geschwindigkeiten müssen noch einige zusätzliche Investments gemacht werden.

Bericht vom 05.05.2011 | 15.901 Aufrufe

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