Suzuki GSX-R 600 2011

9 Kilo weniger! Wie fährt das Fliegengewicht? Test in Almeria.

So stand sie vor uns. Zierlich und schlank. Trotzdem aber mit einem immensen Selbstbewusstsein ausgestattet. Im Hintergrund das Gebirge Sierra Nevada zu unseren Füßen der Asphalt der Rennstrecke Almeria. Das wird ein guter Tag!

 

Suzuki GSX-R 600 - Erster Test vom Modelljahr 2011

Stillstand herrschte bis vor kurzem in der 600er Entwicklung. Die Karten waren gemischt, die Rollen waren verteilt. Zum Glück war die Suzuki Crew mit der Rolle der 600er nicht zufrieden. Das Siegerimage auf der Rennstrecke war angekratzt, beliebt war sie jedoch bei den Strassenfahrern. Die Ingenieure schoben Überstunden und drehten jede Beilagscheibe an der Maschine um. Das neue Motorrad ist nun 9 Kilo leichter, kompakter und schneller. Wir testeten das Motorrad auf der spanischen Rennstrecke Almeria gemeinsam mit Kollegen aus Deutschland und Spanien.


"Nur daquer bist wer!" Dieses Sprichwort von unserem heimischen Tankstellentreffpunkt dürfte auch meinem spanischen Journalistenkollegen geläufig sein. Am Ende der langen Gerade folgt hier in Almeria eine enge Rechtskurve. Besonders demütigend schnupfte er mich außen und dann auch noch komplett quer mit übel quietschenden Reifen an seiner GSX-R 600. Das einzig gute an der Situation war, das es außer mir selbst und dem spanischen Henker niemand beobachten konnnte. Eigentlich waren wir gerade dabei die neue GSX-R 600 zu testen, aber wenn Eitelkeiten ins Spiel kommen dann ist Schluß mit dem nüchternen Testablauf. Als nächstes hatte der Mann im knallgelben Leder meinen Kollegen von der Zeitschrift "PS" im Visier. Robert ist ein schneller Mann und wird sich im Sattel der gierig kreischenden Suzuki bestimmt heftiger zu Wehr setzen.

Doch schon wenige Augenblicke später, attackierte er auch den flotten Rob und es schien so als hätten wir unseren Meister gefunden. Doch dem raschen Aufstieg in der Hierarchie folgte ein ebenso rascher Abgang. Die Kiesbetten in Almeria sind zum Glück großzügig gestaltet und so blieben dem spanischen Torrero grobe Schmerzen erspart. Zufrieden entspannte ich mich im Sattel und konzentrierte mich wieder auf die kleine GSX-R.


Adrenalinkick auch mit 600 ccm


Klein, trifft den Nagel bei der 2011er GSX-R wirklich auf den Kopf. Denn sie wurde um 9 Kilo leichter und wiegt nun fahrfertig und vollgetankt 187 Kilo. Zusätzlich dazu wurde der Radstand um 15 mm kürzer und auch die Front wie das Heck wurden deutlich gekürzt. Man muss kein großer Motorradguru sein, um verspüren zu können was weniger Gewicht und kürzerer Radstand für Auswirkungen aufs Fahrverhalten haben. Die GSX-R ist ein handliches Spielzeug und ist eine richtig gute 600er. Sie verkörpert nun genau das was wir an 600ern so lieben und wir sind mit ihr genau deshalb auch richtig schnell unterwegs. Nach der Zielgeraden geht es etwas bergab und man biegt in eine Doppelrechts ab, folgt der Strecke über eine Kuppe wo schon die nächste blinde Rechtskurve wartet. Hart an der Bremse drückt man die GSX-R trotzdem spielend leicht in den Radius und hat oben auf der Kuppe eine beachtliche Auswahl an Linienmöglichkeiten. Hier bin ich tatsächlich der Herr im Sattel und komischerweise fehlt mir diesmal auch nicht der Adrenalinkick den ich auf den 1000ern so intensiv verspüre.

Das liegt möglicherweise auch am richtig gut klingenden Aggregat der GSX-R. Keine Ahnung wie sie diese Soundmaschine homologiert bekamen aber es hört sich gut und schnell an. Aber das Aggregat hat mehr am Kasten als nur herrlich zu singen. Bei der Powerpoint-Orgie am Vorabend wurden überraschenderweise keine spektakulären Drehzahlen oder Spitzenleistungen zelebriert. OK. Die maximale Drehzahl wurde auf 15.500 gehoben und auch die Spitzenleistung legte um ein knappes PS zu. Doch man sprach viel mehr über Leistung im unteren und mittleren Drehzahlbereich. Dieses Thema hatte ich eigentlich schon längst abgeschrieben, doch sie haben es tatsächlich gut hingekriegt. Ich probierte einige Passagen im 3er anstelle vom 2er und fuhr eine saubere und ruhige Linie. Gemeinsam mit der neuen Motorabstimmung wurde auch die Getriebeabstufung geändert. Man hat nun ein knackig kurz übersetztes Getriebe und erlebt richtig geile und nicht enden wollende Beschleunigung. Sinnlos ist es jedoch die GSX-R 600 unnötig zu quälen. Denn im obersten Drehzahlbereich hat sie zwar Reserven um in kniffligen Passagen etwas zu überdrehen aber leistungsmäßig kann sie ab ca. 13.500 nicht mehr zulegen. Ich selbst hab kein besonders gutes Gespür für den richtigen Schaltzeitpunkt und da kommt mir der Schaltblitz im Cockpit sehr entgegen.

Der eigentlich Schaltblitz wird von 3 hintereinander zündenden Lämpchen angekündigt und so ist es selbst großen Antitalenten möglich auf die Umdrehung genau den nächsten Gang einzulegen. Bei 600ern sind es nun eben diese Kleinigkeiten die dann zu guten Rundenzeiten führen. Saubere Leistungskurve, exakt darauf abgestimmtes Getriebe und exakte Schaltpunkte und schon reichen auch im Vergleich zu 1000ern viel weniger PS um ähnliche Rundenzeiten zu fahren.

 

Fast Forward Knopf in der Schikane


Nach den ersten beiden Turns verpassten die Techniker meiner GSX-R dann auch endlich ein würdiges Rennstreckensetup. Gabel wie Federbein wurden straffer eingestellt und auch die Federvorspannung wurde erhöht. Das fühlte sich dann richtig gut an und ich konnte vor allem die geile Brembo Monoblock Bremse schön auskosten. Die edlen Zangen machen sich nicht nur im Prospekt oder Fahrerlager sehr gut, sondern fügen sich auch perfekt ins Gesamtkonzept ein. Die Gixxer wurde vom Layout her ja radikaler und die vordere Gabel ist nun ähnlich wie in der 1000er GSX-R mit Big-Piston Technik ausgestattet. Das Ergebnis auf der Strecke konnte sich sehen lassen. Die Bremse ist wunderbar präzise zu dosieren und wirklich nicht gefährlich. Bei der handlichen und kurzen GSX-R wäre eine giftige Bremse ein fataler Konstruktionsfehler gewesen. Bei harten Bremsmanövern am Ende der langen Geraden taucht die neue Gabel aber nicht dramatisch ein sondern dämpft schon auf den ersten Millimetern. Beim Thema Gesamtkonzept darf man an dieser Stelle auch nicht auf die gut funktionierende Anti-Hopping-Kupplung vergessen. Insgesamt hat man nun also ein gnadenlos verzögerndes Motorrad zur Verfügung welches man trotzdem stehts gut im Griff hat.

Großes Heimspiel erlebten wir Runde für Runde aber immer schon in der engen Schikane. Es fühlt sich im Sattel gar nicht so schlimm an, doch als Beobachter vom Vordermann sah das echt grimmig aus. Beinahe so, als hätte jemand den Fast-Forward Knopf auf der Fernbedienung gedrückt. Von einem Knie auf das andere in gefühlten 0,2 Sekunden und schon kann der Gasgriff wieder geöffnet werden. Der ganze Vorgang ging nicht nur schnell sondern auch ruhig und stabil über die Bühne. Laut Prospekt haben wir das vor allem der BPF Gabel zu verdanken. Schade dass keine 1000er mit dabei waren, die hätten wir dort gnadenlos richten können.

 

Verkleidung aus dem Windkanal - nicht aus der Modeschule


Als pflichtbewusster Motorradreporter ist mir aber auch eine ausgewogene Berichterstattung wichtig. Denn den Vorwurf der Lobhudelei möchte ich mir von unseren Lesern nicht gefallen lassen müssen. Bei aktuellen Supersportlern ist dies jedoch keine leichte Aufgabe. Die GSX-R bietet beinahe keine Angriffsfläche für Kritik. Denn das Wettrüsten unter den Japanern wurde scheinbar für beendet erklärt und Suzuki konnte seelenruhig ein gutes Motorrad entwickeln. Ohne Druck irgendwelche 0,2 PS mehr als der Mitbewerber ins Prospekt zu drucken gelingen scheinbar die besseren Motorräder. Selbst das große Plus der GSX-R ist trotz der Abmagerungskur beständig geblieben. Die Gixxer bietet immer noch eine tolle Sitzposition, liegt gut in der Hand und bereitet wenig Schmerzen. Straßenfahrern empfehle ich trotzdem eher zur 750er zu greifen, aber 6er-Freaks werden mit dieser 600er auf öffentlichen Straßen vermutlich am ehesten zufrieden gestellt. Bleibt mir nur noch die Chance das etwas zu zurückhaltende Design der Verkleidung zu kritisieren. Keine aggressiven Kanten, keine zerklüfteten Oberflächen - obwohl sie die modernste 600er ist, sieht sie nicht so aus. Sofort packt mich die kräftige Hand des eifrigen Pressebetreuers am Genick begleitet von folgender Klarstellung:"Die Verkleidung wurde im Windkanal gestaltet und nicht in der Modeschule!"

Im mittleren Streckenabschnitt ist es so, dass sich Fehler bei der Wahl der Linie erst 3 Kurven später rächen und man besonders präzise durch die Kurven gleiten muss. Die blinde Kuppe sorgt da noch für die nötige Würze. Anders als bei anderen Sportmotorradpräsentationen schickt Suzuki die GSX-R mit Serienreifen ins Testgeschehen. Die BT-16 sind bei den trockenen aber nicht zu warmen Bedingungen in Sachen Grip gut zurecht gekommen. Doch klarerweise bieten sie nicht die messerscharfe Präzision wie Sportpneus. Trotz dieses Handicaps schlug sich die GSX-R mehr als wacker. Mit frisch aufgeheizten und radikalen Sportgummis wird es uns eine unendliche Freude sein auf heimischen Strecken zu attackieren. Es ist bestimmt nicht das Chassis alleine welches uns diese geniale Linienführung erlaubt. Es ist auch die Art und Weise wie der Motor am Gas hängt.

Suzuki hat bei der Gemischaufbereitung nichts dem Zufall überlassen. Die Leerlaufdrehzahl sowie die Motorbremswirkung wurden scheinbar vom größten Streber im Suzuki-Hauptquartier eingestellt. Der Übergang von Bremse zu Gas gelingt auch in voller Schräglage komplett stressfrei. Wie mit dem Mikrometer, kann man den gewünschten Vortrieb mittels Gasgriff einstellen und gleitet mit einem ausgesprochen guten Gefühl fürs Hinterrad durch diese Sektion. Die Hardware beim Aggregat passt ganz einfach. Zwei Drosselklappen pro Zylinder sowie zwei Einspritzdüsen kosten Geld, machen sich aber definitiv bezahlt.

 

Highsider und Nussknacker


Ich begann gerade die GSX-R so richtig zu genießen, als ich Zeuge eines Kastrationsvorganges auf der Strecke wurde. Der Spanier vor mir, diesmal einer mit grellem roten Leder, vergaß dass der Turn bereits länger dauert und vergaß auch dass wir eben keine Rennstreckenreifen auf den Felgen hatten. Am Kurvenausgang nutzte er die von mir eben beschriebenen feinen Dosiermöglichkeiten überhaupt nicht, sondern legte den Gasgriff ganz einfach wie einen Schalter um. Zum Glück für die GSX-R schloss er ihn nach dem heftigen Rutscher ebenso schnell wieder. Seine eigener Luftstand dürfte aber einen guten Meter betragen haben und die Landung am Tank war ausgesprochen präzise. Das tat selbst beim Zusehen richtig weh und meine Schadenfreude hielt sich daher echt in Grenzen.

Das es nicht nötig ist im Sattel der GSX-R solche Schmerzen zu erleiden, sieht man denke ich ganz gut in unserem Video weiter unten. Mein Kollege Robert und ich fuhren im Duett und die Kamera filmte nach hinten. Einen ganzen Turn gaben wir für unsere Leser Vollgas und waren dabei jedoch niemals in Gefahr. Wir waren uns dann beide beinahe einig. Er nannte die GSX-R "bombig" ich einfach nur "geil". Das neue Motorrad ist definitiv keine bloße Modellpflege sondern ein auch für Hobbypiloten spürbar besseres Gesamtkonzept welches mehr Freude bereitet als jede 600er bisher. Schön zu sehen, dass sich die anstrengende Suche nach Gramm am Ende so bezahlt macht. Ich gratuliere allen GSX-R 600 Käufern schon jetzt zur guten Wahl - ihr werdet eine tolle Saison 2011 erleben.

 
Erst fuhr er quer, dann sorgte er für ein frisch gepflügtes Kiesbett. Unser spanischer Kollege. Ob es an dem zu ungestümen Einsatz unserer südlichen Kollegen lag, dass wir die frisierte Yoshimura Maschine nur im Stand betrachten durften, entzieht sich unserer Kenntnis.
Die intensive Analyse mit dem Bridgestone-Techniker ist überflüssig. Wen man am Scheitel so grimmig Vollgas gibt, darf man sich über den Nussknacker am Tank nicht wundern. Kollege Robert Glück von PS kannte keine Gnade. Er hetzte den Spanier in den Kies und konnte zufrieden eine weitere Ritze ins Kerbholz schneiden.

1000PS VIDEO Suzuki GSX-R 600 aus Almeria

Suzuki GSX-R 600 2011 - Bildergalerie

Suzuki GSX-R 600 2011 Bilder Galerie. Alle Details, schöne Impressionen, viele Infos!

 
 

Suzuki GSX-R 600 2011 - Technik im Detail

 
Die Abmagerungskur im Detail:
 
Diverse Verkleidungs- und Anbauteile 3.400 Gramm
Auspuffanlage 1.700 Gramm
Rahmen 1.350 Gramm
Schwinge 900 Gramm
Gabel 860 Gramm
Hinterrad Dämpfung / Aufhängung 780 Gramm
Vordere Bremszangen 405 Gramm

Geometrie

Der Radstand verringerte sich auf 1.385 mm, gleich blieben jedoch Nachlauf (97 mm) und der Lenkkopfwinkel (23,75 Grad).

Die neue GSX-R hat auch neue Felgen mit einem geänderten Achsendurchmesser.

Die Leistung beträgt nun 92,5 kW anstelle von bisher 92 kW. Die maximale Leistung wird bei 13.500 U/min erzielt. Das maximale Drehmoment beträgt nun 69,6 Nm anstelle von 68,6 Nm und wird bei 11.500 U/min erzielt. Bohrung wie Hub blieben unverändert.

Die Nockenwelle selbst wurde leichter und auch die Nockenprofile wurden geändert. Die Profile erzeugen nun weniger Ventilhub. Durch andere Maßnahmen konnte die Spitzenleistung gehalten werden, die Leistung im mittleren Drehzahlbereich legte jedoch zu.

Weitere technische Details finden sich in der Bildergalerie zur GSX-R 600.

Suzuki GSX-R 600 2011 Technische Daten

Motor:
   
Bauart 4-Zylinder Reihenmotor, 4-Takt, 16V, DOHC, wassergekühlt
Hubraum 599 ccm
Bohrung / Hub 67 x 42,5 m
Verdichtung 12,9:1
Gemischaufbereitung SDTV Benzineinspritzung, 40 mm, mit ISC Leerlaufregelung, 2 Drosselklappen und 2 Einspritzdüsen pro Zylinder
Nennleistung 92,5 kW bei 13.500 U/min, 126 PS
maximales Drehmoment 69,6 Nm bei 11.500 U/min
   
Kraftübertragung:
   
Getriebe 6 Gänge
1. Gang 2.69
2. Gang 2.11
3. Gang 1.76
4. Gang 1.52
5. Gang 1.35
6. Gang 1.23
Primärübersetzung 1,974
Sekundärübersetzung 43/16
   
Fahrwerk:
   
Rahmen Aluminium-Brückenrahmen
Schwinge Aluminium-Kastenschwinge mit Oberzügen
Reifen vorne 120/70ZR17 (58W)
Reifen hinten 180/55ZR17 (73W)
Radaufhängung vorne BPF (Big Piston Fork) Upside-Down-Teleskopgabel, Ø 41 mm, Federvorspannung, Zug- und Druckstufe einstellbar.
Radaufhängung hinten Zentralfederbein mit Hebelsystem, Schraubenfeder / Gasdruckdämpfer, Federvorspannung, Zugstufe, Druckstufe in Hi- und Low-Speed einstellbar.
Bremse vorne 2 Scheiben, Ø 310 mm, 4 Kolben, radial montiert, Radial-Hauptbremszyl.
Bremse hinten 1 Scheibe, Ø 220 mm, 1 Kolben
   
Abmessungen:
   
Länge 2030 mm
Breite 710 mm
Höhe 1135 mm
Sitzhöhe 810 mm
Radstand 1385 mm
Lenkkopfwinkel / Nachlauf 66,25 Grad / 97 mm
Tankinhalt 17 Liter
Gewicht fahrfertig 187 kg
   
Preis

Fazit: Suzuki GSX-R 600 2010

Das neue Motorrad ist definitiv keine bloße Modellpflege sondern ein auch für Hobbypiloten spürbar besseres Gesamtkonzept welches mehr Freude bereitet als jede 600er bisher.


  • Relativ niedriges Gesamtgewicht
  • leichtes Handling
  • gut klingendes Aggregat
  • präzise Bremsanlage
  • ruhiges, stabiles Fahrwerk.
  • Im hohen Drehzahlbereich etwas suboptimal
  • unpassendes Design.

Bericht vom 16.12.2010 | 23.022 Aufrufe

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