Enduro im Schnee

Enduro im Winter? In Österreich nur was für hartgesottene, in Schweden ganz normal.

Enduro im Schnee

Mehr als nur kalt.

Ja genau, da ist der Profi am Werk!
Während in Österreich fast alle Enduros über die Wintermonate in unseren Garagen gemütlich vor sich dahinschlummern, gönnen die Schweden ihren Bikes keine ruhige Winterpause. Egal ob bei -20C° oder meterhohem Schnee, die Wikinger kennen wie ihre Vorfahren kein Pardon. Doch Enduro ist nicht gleich Enduro, die arktischen Witterungsbedingungen erfordern auch eigene Fahrtechniken sowie Änderungen an den Motorrädern. Allen voran natürlich die Spike Reifen. Obwohl die Stahlstifte nur maximal 7mm aus dem Gummi ragen, verleihen sie dem Motorrad irren Vortrieb. Je härter und eisiger der Untergrund ist, desto besser können sich die Stahlstifte in den Untergrund bohren. Auch Wheelies und Stoppies sind mit den bis zu 200 Spikes pro Reifen kein Problem. Problematisch könnte allerdings die Finanzierung des schwarzen Goldes werden; während ein Satz spikeloser MX oder Enduro Reifen bereits ab 100 € zu haben ist, kommt man bei guten Spike Reifen nicht unter 550€ (www.bachner-lunz.at) weg. Der Betrag mag zwar abschreckend sein, bedenkt man aber, dass ein Reifensatz Spikes bei korrekter Anwendung (kein Asphalt, Felsen,...) praktisch ewig hält, relativiert sich dieser Preis wieder. Für die "Selfmen" unter den Lesern gibt es auch eine etwas kostengünstigere Alternative, Spikes zum Selberreindrehen - pro Spike kann man mit ca. 65 Cent rechnen, zu beziehen ebenfalls über Bachner in Lunz.

Bastelstunde - bau Deine eigene Winterausrüstung.


Nächste wichtige Abänderung sind die Slide Platten an den Sohlen der MX Stiefel. Einfach eine glatte, ca. 3mm starke Kunststoffplatte auf die Größe der Schuhsohle zuschneiden und mit gewöhnlichen Spax Schrauben an die Sohlen der MX Stiefel schrauben. Kleiner Tipp aus eigener Erfahrung: auch wenn 50 mm Spax Schrauben sicher mehr halt geben als kürzere, wirken sich die langen Schrauben ungünstig auf den Fahrkomfort aus.
Damit sich auf den Fußrasten keine riesigen Eisklumpen bilden, haben die Schweden eine so simple wie effektive Lösung parat. Mit Hilfe eines Racetapes, welches um die Rasten und den Fußbremshebel geklebt wird, hat der Schnee keine Angriffsfläche mehr und kann somit auch nicht verklumpen.


Natürlich fordern auch die eisigen Temperaturen ihren Tribut, wer sich mit leichtem MX Gwandl in die bis zu Minus 20 C° kalte Wildnis wagt, den erwartet ein Fixplatz in Walhalla. Nützliche Tools sind natürlich die alte Heeres Untergattinger, Longsleeve Unterleiberl, Enduro Jacke und dicke MX Handschuhe. Wen in den Fingern dann noch immer friert, der umklebt sich Kupplungs- und Bremshebel mit dünnen Textilstreifen - schaut zwar nicht edel aus, bringt aber Erfrierungstechnisch einiges. Wer's noch wärmer mag, der kann sich aus dem Rollerhandel flauschig warme Handschützer besorgen - gibt's von Bagster und sind bei Xajo erhältlich. Für die ganz warmen gäbe es dann noch die Alternative der Griffheizung - ist aber wie gesagt nur was für ganz warme.
Bei den kalten Temperaturen sollte man aber nicht nur an sich, sondern auch an sein Moped denken. Da bei kalten Temperaturen das Volumen der Luft deutlich sinkt, verändert sich somit auch das Benzin-Luft Gemisch - Abhilfe schafft das neu Bedüsen des Vergasers, oder die Anschaffung einer neuen Husaberg mit Einspritzung.
 

Vorteil im Schnee - auch Bruchlandungen tun nicht weh.
Wie schon eingangs erwähnt erfordert das Fahren im Schnee einige Umstellungen, nicht nur in Sachen Bekleidung oder Änderungen am Bike, sondern auch in Punkto Fahrtechnik. Während man für gewöhnlich den Großteil der Zeit stehend auf der Enduro verbringt, ist die Fahrweise im Schnee komplett anders. Fact numero uno: egal ob bergauf oder bergab, am Motorrad wird fast immer gesessen. Schaut im Prinzip zwar einfacher aus als immer nur zu stehen, ist es aber nicht - sämtliche Schläge vom Motorrad, die sonst von den Beinen abgefangen werden, müssen nun vom Rücken abgefangen werden, permanentes Anspannen der Rückenmuskulatur ist somit unumgänglich. Fact Nummer zwei, ein Fuß bleibt immer am Boden und rutscht sanft über den Boden. Genau hier kommen die oben erwähnten Slideplatten an den Stiefeln zum Einsatz - ohne die Platten würden sich die Stiefel ständig im Schnee verfangen, oder man müsste ständig nebenher "haxeln", was auf Dauer auch ziemlich Kräfte zehrend ist.

Schwerste Lektion: locker bleiben.


Der andere Fuß hingegen sollte ständig auf der Fußraste bleiben und versuchen, Schläge vom Hinterrad, die sonst an den Rücken weitergeleitet werden, etwas abzufangen. Nach spätestens ein bis zwei Runden im Schnee hat sich eine Spur in der gefahrenen Strecke gebildet, auch diese Spur trägt ihren Teil dazu bei, dass die klassischen Fahrtechniken im Schnee für'n Hugo sind. Probiert man nämlich in der Spur fahrend dem Motorrad die Richtung mittels eifrigem Ziehen und Drücken am Lenker zu diktieren, bekommt man nach wenigen Minuten Arme wie "Iron Man", allerdings sind die Arme dann lediglich so hart wie Stahl und nicht so stark. Richtig ist, den Oberkörper und die Arme ganz locker zu lassen, das Motorrad fährt in der Spur wie auf Schienen, jeder Versuch, die Spur zu ändern, kostet viel Kraft und bringt meistens nichts. Hier kommt auch wieder eine uralte Kärntner Weisheit zum Einsatz "Los lei lafn, is lei Wossa" - zwar gefrorenes Wasser, aber so genau nehmen wir's dann doch nicht.
 
What Should We Do with the Sunken Sailor?
 

Hier noch mal die wichtigsten Fahrtechniken zusammengefasst:

  • Sitzen bleiben - durch das Spurrinnenfahren sind schnelle (und teilweise unvorhergesehene) Richtungswechsel an der Tagesordnung, ein hoher Schwerpunkt begünstigt Stürze
  • Fuß runter - zumindest einen davon, somit kann das kippende Motorrad schnell wieder aufgefangen werden - der andere Fuß bleibt immer auf der Raste und versucht Schläge abzudämpfen
  • Locker bleiben - Oberkörper und Arme locker lassen, das Motorrad fährt immer in der Spur, der Fahrer ist nur mehr Passagier, der am Gashahn dreht.

Für alle Ungläubigen da draußen, die dem armen arlo aufgrund seines mittelmäßigen Sonderschulabschlusses und der auch sonst dürftigen Bildung keinen Glauben mehr schenken können, hat mein Freund Joakim Ljunggren, seines Zeichen Husaberg Factory Rider, unzähliger schwedischer Enduro Meister, Junioren Weltmeister usw., meine Tipps in einem kleinen Video zusammengefasst. Zusätzlich als Appetizer für den nächsten Winter ein kleines Winter Enduro Action Video.


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Lehrvideo

Der Meister selbst führt uns in die Welt des Schneefahrens ein, also Augen auf Ohren auf und gut zuhören.

 

Action Video

Die besten Szenen aus 3 Tagen Enduro in Schweden zusammengepresst in eine Minute Action.

 


Interessante Links:

Text: arlo
Fotos: t.blume - j.ahlberg

Bericht vom 18.03.2010 | 20.349 Aufrufe

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