Kawasaki 1400 GTR Test

GTR Update. Noch mehr Technik, ABS & Heizgriffe. Sensationelle Tractioncontrol!

Kawasaki 1400 GTR

Volle (Tr)Aktionkontrolle


Die GTR hat mich auf einigen meiner schlimmsten Irrfahrten durch Europa begleitet (beispielsweise von Wien über Bologna und Bergamo nach Frankreich, 200 km Umweg, insgesamt 1.300 km an einem Tag) und sie erträglich gemacht. Meine Freundin ist ein Fan, weil man damit mit zu zweit äußerst flott reisen kann und 7 Paar Schuhe Größe 37 auch noch mitkönnen..

Kawasaki 1400 GTR
Irgendwie stimmt es nachdenklich, wenn man - ohne nachzudenken - wie selbstverständlich den Einteiler für die Rennstrecke einpackt, um im südlichen Norden Italiens Ende Oktober ein neues Touringmotorrad zu testen. Und ein Doppelkoffer mit exakt 300 Kilogramm Lebengewicht (mit ABS: 304 kg) wird immer ein Tourer bleiben, selbst wenn das 1.352 Kubik große 16V-Vierzylinder-Aggregat 155 PS leistet und bei 6.200 U/min. ein Drehmoment von 136 Nm erzeugt. Das breite Kreuz aus Windschild-Vorderachse und den beiden Spiegeln dürfte einen cw-Wert haben, der nur knapp unter dem der Christus Statue von Rio de Janeiro liegt, an die mich die Front der Kawa erinnert. ABS lassen wir noch gelten, aber serienmäßige Heizgriffe beseitigen im Normalfall jeden Zweifel, daß man es hier mit einem Luxusliner zu tun haben, der das Sofa vor den Sport stellt.

Trotzdem läuft es anders und es wird weiter eingepackt. Handschuhe mit Knöchelschale aus Titan und Rochenhaut an den Fingern, Stiefel, die in der IDM Zehen zwar nicht warm halten, aber heil bleiben lassen, Sporthelm in Signalfarbe - nicht nur zur Sicherheit, auch zur Provokation. Ich habe auf der GTR schon die große, weite Welt gesehen, die für einen Burgenländer beim nächsten Fachmarktzentrum beginnt. Westösterreich, Deutschland, Italien, Frankreich... Auf Reisen, voll beladen, alleine und zu zweit, stundenlang bei 160 am Bandl, mit den Nerven am Ende, tagelang in den französischen Alpen, mit dem Grip am Ende. Ich habe GTRs gesehen, die schneller bewegt wurden, als mein Mut das jemals zulassen würde. Der Pilot war damals 20 Jahre älter als ich. Ruhe, Erfahrung und Bequemlichkeit können verdammt schnell sein. Die Technik macht's.

Kawasaki 1400 GTR

Concorde im Tiefflug. Oder: Reisen kurz gemacht.

Kawasaki 1400 GTR

Ich hab's genau gesehen, Herr Inspektor. Ein Clown auf einem dunklen Schatten schwebte an mir vorbei.


Heizgriffe beweisen: Sofa vor Sport


Schon die erste 1400 GTR konnte mit einigen technischen Innovationen und Detaillösungen aufwarten, die einem das Leben auf der Straße leichter machten, oder auch nicht. Die meisten wurden für das aktuelle Modell übernommen. So zum Beispiel das KIPASS System, ein Zündschloss, das auf einen herkömmlichen Schlüssel verzichtet. Der Fahrer trägt einen Sender bei sich, der die Bedienung eines Drehschalters im Cockpit freigibt, wenn sich der Sender in unmittelbarer Nähe des Fahrzeugs befindet. So kann das Motorrad ohne Einstecken eines Schlüssels gestartet werden. Bei 5 Tankstopps pro Tag, wie auf meiner Reise nach Frankreich, eine äußerst bequeme Einrichtung. Kawasaki 1400 GTR

Hier gibts die 360° Ansicht der GTR


Ebenso praktisch war das nicht verschließbare Handschuhfach am Tank, das leider nicht länger für Mauttickets, Sonnenbrille und Handy zur Verfügung steht, weil es ganz einfach nicht mehr vorhanden ist. Kawasaki ging davon aus, daß viele Fahrer auf längeren Touren einen Tankrucksack benutzen und das Fach dann sowieso nicht brauchen könnten. Aus diesem Grund hat man Befestigungsösen für einen Tankrucksack montiert und ein versperrbares Fach auf der linken Seite der Intrumentenkonsole installiert. Kein optimaler Ersatz, da es schmal und tief baut und man so manches Handy nur mühsam aus dem schwarzen Loch fischen kann. Außerdem sollte man aufgrund der Wärmeentwicklung niemals Süßigkeiten aus Schokolade darin aufbewahren. Also auf keinen Fall vergessen, für die gefrustete Begleiterin die Milka in den Koffern zu verstauen, damit man diese bei Tankstopps an das mies gelaunte Raubtier verfüttern und es bei Laune halten kann.

Die Spiegel wurden besser platziert, bieten aber
noch immer nicht 100%ige Rücksicht.

Kawasaki 1400 GTR

"Ich habe die Macht über dieses Fahrzeug!"
sagte der linke Daumen stolz.


Den Schoko für die gefrustete Begleiterin nie im Seitenfach lagern.


Für den Komfort beim Fahren waren neben dem elektronisch verstellbaren Windschild, das beim neuen Modell bis zu 40 mm höher steht und in 4 Positionen oder stufenlos reguliert werden kann, außerdem die großzügige Sitzlandschaft und die für den Fahrer ergonomisch sehr angenehme Geometrie verantwortlich.

Auf der Fahrwerksseite beeindruckte Kawasakis Tetra-Lever Schwinge, die sich ihrerseits vom Aufstellmoment des Kardan unbeeindruckt zeigte. Diese Konstruktion wurde weiter verbessert und funktioniert optimal. Der Reifendruck wurde und wird elektronisch überwacht, fällt dieser unter 2,2 bar, wird der Fahrer übe das Display darüber informiert. Die Beeinflussung des Drucks durch wechselnde Temperaturverhältnisse wird berücksichtigt.

Kawasaki 1400 GTR

Große Klappen. 10 kg dürfen in jeden Koffer.


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Kawasaki 1400 GTR Video


Kawasaki 1400 GTR

"Jo, so is' des bei Kawa" würde Sepp Schnorcher sagen.


An vielen Stellen wurde nachgebessert, verbessert und perfektioniert. Das grüne Integral-ABS-System "K-Act", bei dem die Bremskraft optimal zwischen Vorder- und Hinterrad verteilt wird, läuft bereits in der Version 2.0, nunmehr 30 % leichter und 25 % kleiner. Durch Drücken auf die K-Act Taste kann der Fahrer zwischen dem 'Standard Mode' und dem 'High Combined Mode' wählen. Die Wirkung der Vorderradbremse bleibt bei beiden gleich, im 'High Combined Mode' wird aber durch Betätigung des Bremspedals die Vorderradbremse wesentlich stärker unterstützt. Ideal beim Fahren zu zweit bzw. in beladenem Zustand und bei schlechten Straßenverhältnissen. Die Kawa wurde wieder ein Stück sicherer und bequemer, doch jetzt zum Wesentlichen und zu dem Grund, warum ich die Racingpanier eingepackt habe: Der Tractioncontrol. Kawasaki 1400 GTR

Jetzt zum Wesentlichen: Der Tractioncontrol


Ich war gespannt, wie gut die kleinen grünen Männchen ihre Bits und Bytes in den Microchips wohl aufeinander abgestimmt haben. Ein anderes, von mir bereits getestetes System eines anderen Herstellers funktionierte gut, reagierte aber in 'extremen' Situationen etwas grob, fast schon überfordert. Ich ging also mit einem gesunden Maß an Skepsis an die Sache heran. Keine Überraschung war, daß das KTRC (Kawasaki Traction Control) genannte System einen Wheelie verhinderte. Allerdings stellte sich das Motorrad im Gegensatz zu meinen früheren Erfahrungen nicht mal einen Moment lang auf, um erst bei einem halben Meter Luftstand den Hahn abzudrehen, sondern blieb mit beiden Reifen auf dem Boden und stoppte sofort die Leistungszufuhr. Es passierte....nichts. Das heißt natürlich auch, daß man nicht völlig bedenkenlos am Kabel ziehen kann. Wer das tut, der kommt nicht vorwärts.
 

Geschwindigkeitsüberschuß durch Tractioncontrol wird ans ABS weiterverschenkt.


Es handelt sich eben nicht um einen vollautomatischen Ersatz für die Gashand des Fahrers, sondern ein unterstützendes System, das dort eingreift, wo man ohne Elektronik den schmalen Grat des Grenzbereichs bereits nach außen verlassen hätte. Besonders deutlich wird das am Kurvenausgang. Nach etwas Eingewöhnungszeit, die uns Kawasaki mit gleich 2 Testtagen großzügigerweise zugestanden hatte, katapultierte ich die GTR aus der Kurve, daß ich das Gefühl hatte, von hinten angeschoben zu werden. Atemberaubend ist das bis zum nächsten Kurveneingang, wo der Atem stockt, weil man mit dieser Geschwindigkeitszunahme nicht gerechnet hätte. Alles, was einem die Tractioncontrol zuvor geschenkt hat, verschenkt man jetzt an das integrale ABS System weiter. Kein Zweifel, die KTRC Elektronik machte mich schneller, fast wie der LeberKERS in der Formel 1. Ausgereizt wurde das System auf den Sand- und Schotterwegen, die zum Hotel führten.

Kawasaki 1400 GTR
Kawasaki 1400 GTR
 
Ausgereizt wurde das System auf den Sand- und Schotterwegen, die zum Hotel führten. Nicht nur der Kawasaki Testfahrer demonstrierte uns, was das KTRC zu leisten im Stande war, wir wollten es selbstverständlich auch selbst ausprobieren. Das Ergebnis war eine Beschleunigung, die ich bei einem 300 Kilo Bike mit Straßenreifen auf einem naturbelassenen Güterweg nie für möglich gehalten hätte. Womit wir wieder beim Problem mit dem Bremsen wären.  Der Clou an dem Ganzen ist, daß das KTRC so gesehen keine eigene Einheit ist, sondern zu 100 Prozent über das ABS System und die Motorsteuerung läuft. Wie beim ABS überprüft das System ständig, ob sich der Hinterreifen schneller dreht, als der Vorderreifen. Ist das der Fall, wird die Leistungsabgabe an den Hinterreifen durch Regulierung von Zündzeitpunkt, Kraftstoffzufuhr und Ansaugluft gerade so verringert, daß der Hinterreifen wieder Grip aufbauen kann und nicht wegrutscht. Das bedeutet keine zusätzlichen Microchips und kein Mehrgewicht. Abschalten läßt sich die Tractioncontrol durch Drücken eines roten Schalters beim linken Lenkergriff (Schalter muß ein paar Sekunden gehalten werden).

Heikles Thema Handling - kein Thema mehr.


Die erste GTR brachte ihre Fahrer eigentlich nur mit einer Sache ins Schwitzen. Eigentlich zwei. Genau genommen drei. Also von vorn. Da waren erstmal die schicken, aber ungeschickten Rückspiegel, in denen man sich ständig davon überzeugen konnte, ob die Koffer während der Reise auch nicht aufgegangen waren. Sonst sah man nicht viel. Durch die um 40 mm nach oben versetzten Spiegel wurde das nun besser, jedoch noch nicht optimal. Sie müßten noch weiter rauf. Zweitens brachte den Fahrer die Abwärme vom Motor ins Schwitzen. Durch größere Lüftungsschlitze an den Seiten konnte man dieses Problem beheben, man spürt eine deutliche Verbesserung. Drittens wurde man durch ein etwas widerwilliges Handling dazu gezwungen, sich mehr als gewünscht körperlich zu betätigen. Das Kurvenverhalten war früher recht seltsam. Die GTR ließ beim Einlenken den Kopf zunächst Richtung Kurvenmitte kippen, um dann wie mit einer Genickstarre in dieser Position zu verharren und sich schließlich stur und träge durch den Radius tragen zu lassen. Dieser unsympathische Charakterzug gehört der Vergangenheit an, dank neuer Fahrwerksinnereien und -einstellungen und einem neuen Bridgestone BT021 Vorderreifen, der ein schärferes Handling erlaubt und dazu eine höhere Laufleistung verspricht. Heute schwitzt man auf der GTR nur mehr, weil man die stufenlos einstellbaren Heizgriffel zu hoch eingestellt hat.

Bleibt kaum etwas über, das nicht verbessert wurde an der GTR. Vieles wurde viel besser, einiges ein wenig besser. Alles ist aber vom Fahrer direkt wahrzunehmen und steigert das Wohlbefinden on Tour. Schade ist nur, daß durch die Tractioncontrol jede Reise stark verkürzt wird, weil man schneller ankommt, als man denkt - bei meinen Irrfahrten allerdings ein klarer Vorteil.


Daten, Fakten und 360° der GTR und Grand Tourer Edition


Kawasaki 1400 GTR

Technische Daten Kawasaki 1400 GTR

Motortyp

4-Takt Reihenvierzylinder

Hubraum

1.352 cm³

Bohrung x Hub

84 x 61 mm

Verdichtungsverhältnis

10,7:1

Ventil-/Einlasssystem

DOHC, 16 Ventile mit variabler Ventilsteuerung

Maximale Leistung

114 kW (155 PS) bei 8.800 1/min.

Maximales Drehmoment

136 Nm bei 6.200 1/min.

Schmierung

Nasssumpf

Kraftstoffzufuhr/Vergaser

Kraftstoffeinspritzung: ø 40 mm x 4

Getriebe

Sechsgang, 6. Gang Overdrive

Starter

Elektrisch

Antriebssystem

Welle

Radaufhängung vorne 43-mm-USD-Gabel, Zugstufendämpfung und Federbasis einstellbar
Radaufhängung hinten Bottom-Link Uni-Trak mit Gasdruckfederbein,Tetra-Lever
Zugstufendämpfung: stufenlos einstellbar; Federbasis: voll einstellbar
Bremse vorn 310-mm-Doppelscheibenbremse im Petal-Design,
radial befestigte Vierkolben-Festsättel, 4 Beläge
Bremse hinten 270-mm-Scheibenbremse im Petal-Design Zweikolben-Festsattel
Reifen vorn 120/70ZR17M/C (58 W)
Reifen hinten 190/50ZR17M/C (73W)

Abmessungen (L x B x H)

2.230 x 790 x 1.345 mm (Breite ohne Taschen)

Sitzhöhe 815 mm

Bodenfreiheit

125 mm

Radstand 1.520 mm

Tankinhalt

22 Liter

Gewicht fahrfertig

300 kg (304 kg mit ABS)

Verkaufspreis in Österreich

n.n.b.


 

Interessante Links:

Text: kot
Fotos: Kawasaki

Fazit: Kawasaki GTR 1400 2009

Bleibt kaum etwas über, das nicht verbessert wurde an der GTR. Vieles wurde viel besser, einiges ein wenig besser. Alles ist aber vom Fahrer direkt wahrzunehmen und steigert das Wohlbefinden on Tour.


  • Technische Innovation
  • Heizgriffe
  • Komfort
  • elektrisch verstellbares Windschild
  • Traktionskontrolle
  • ABS
  • positives Handling.
  • Lösung mit dem Tankrucksack nicht überzeugend
  • Handschuhfach nicht mehr vorhanden
  • Spiegel bieten keine 100%ige Rücksicht

Bericht vom 19.11.2009 | 34.050 Aufrufe

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