Hypermotard 796 Test

Ist die Hypermotard 796 ein Frauen- und Fahrschulmotorrad? 1000PS klärt in Bologna.

Ducati Hypermotard 796

Hyperwonder

 
Als die Meccanici aus Bologna vor 2 Jahren die Hypermotard 1100 und die schwedisch vergoldete 1100S (Öhlins) auf den gemeinen Straßenfahrer losließen, war das so, als hätten sie im Kindergarten Messer, Schere, Feuer und Licht zwischen Gummibälle und Plüschtiere gelegt. Schärfer, heißer und radikaler als alles andere. Gefahr hat eben ihren Reiz. Ein überlegenes Spielzeug, das viele nicht im Stande waren, verletzungsfrei zu bedienen. Einige kamen dann weinend angerannt, nachdem sie sich an der italienischen Furie die Finger verbrannt hatten. Für Erwachsene mit ausreichend Erfahrung war sie allerdings nichts Anderes, als das richtige Essbesteck zum Anrichten und Verspeisen von übermotivierten und -motorisierten Unterqualifizierten. Mahlzeit! Ultra-aggressives Bremswerk trifft auf gewaltbereiten V2 und wenig Gewicht, die extrem nach vorne orientierte Sitzposition und ein breiter Lenker erzeugten ein drastisches Handling, das man verantworten können mußte. Man sitzt oben auf statt mittendrin, vor dem Gesicht praktisch keine Spiegel und fast kein Tank.

Essbesteck zum Verspeisen übermotivierter Unterqualifizierter.


Unsere letzte Testfahrt fand mit eben dieser Hypermotard 1100 S statt, dem Damaszener unter den nahkampferprobten Leichtschwertern. Auch für uns nicht ohne Risiko. Besonders die kompromisslose Vorderradbremse, deren radial montierte 4-Kolben Kiefer von Brembo sich in zwei halb schwimmend gelagerte 305 mm Scheiben verbissen wie ein Staffordshire in Omas Katze, verlangte nach wohl dosierter Bedienung. Angeblich der häufigste Grund für einen Abgang mit der Hyper. Alles in allem ein Sportgerät, mit dem man eher nicht um ein paar Beautyprodukte und einen Satz Klopapier ins nächste Fachmarktzentrum fährt.

Eine entschärfte Version (da stellt's uns auch immer die Haare auf) mußte her. Tauglicher im Alltag, freundlicher zum Kunden und fahrbarer für einen größeren Kundenkreis. Im Normalfall bedeutet das Kahlschlag bei Leistung und Performance. Doch bei Fahrzeugherstellern mit einer stolzen und leidenschaftlichen Geschichte im sportlichen Wettkampf und einer ebenso kompetitiven Ausrichtung seiner straßenzugelassenen Serienmaschinen werden keine Schleusen zugedreht, ECU Einheiten entschärft und Gasgriffe auf maximal 4.000 U/min. plombiert. Da konzentriert man sich zunächst einmal auf die evolutionsbedingt notwendigen Schritte. Das bedeutet im konkreten Fall die Entwicklung eines neuen Motors, der 796 heißt, 803 Kubik hat, 81 PS bei drehfreudigen 8.000 U/min. leistet und Serviceintervalle von 12.000 km verspricht. Er ist gute 2 Kilo leichter als das 696er Aggregat aus der kleinsten Monster. Massig Gewicht wurde außerdem beim Rahmen und an der Vorderradgabel eingespart. Weg mit 12 Kilo Speck.


Damit fährt man nicht um Beautyprodukte und Klopapier.


Neu gestaltet wurden die obere und untere Brücke der 43 mm Upside-Down Gabel, sowie die Gabelfüße. Die Marzocchi Gabel und ein effizienter gefertigter Rahmen lassen so 6 Kilo im Fahrerlager, die Motoreinheit nimmt der Hypermotard 1100 nochmals 6 Kilo ab. Da wird die Schwester neidisch und der Leistungsnachteil relativ. Ist nicht das Einzige, was es zu beneiden gibt. Armaturen und digitale Instrumenteneinheit vom bösen Streetfighter, Brems- und Kupplungshebel 4-fach einstellbar. Einziges, wirkliches Zugeständnis an eine einfachere Fahrbarkeit der kleinen Hypermotard ist somit die gegenüber der 1100er um 20 mm niedrigere Sitzhöhe von 825 mm. In der Praxis kommt das nicht nur Menschen von kleinerer Körpergröße entgegen, es fühlt sich überhaupt komfortabler an und macht die Handhabung des Motorrads im Alltag unkomplizierter.

Doch ehrlich gesagt, versprach der hauseigene Werbeclip nicht viel. Alles sehr provinziell, zivilisiertes Fahren auf dem Land und in der Stadt, gerne auch paarweise. Kein verkehrspsychologisch entgleister Rowdy wie im Superduke Video am Werk und kein Ruben Xaus, der am Oberschenkel durch die Kurve slidet. Als wir den einzigen kurzen aber niedrigen Wheelie über die Leinwand flackern sahen, waren wir sehr besorgt. Man wird es doch nicht gewagt haben, der kleinen Hyper den Willen zum Wheelen zu nehmen. Wir diskutierten allen Ernstes darüber, ob die 796 aufs Hinterrad gehen würde, und wenn ja, ob es auch von Hobbyhüpfern wie uns zu bewerkstelligen wäre. Bei Supermotos hätten wir diesen Worst-Case zwar noch nicht erlebt, aber es gibt durchaus Naked-Bikes am Markt, die bei 80 PS kein echtes Stehvermögen zeigen.

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Ducati Hypermotard 796 Official Video



Haben die Bolognesen beim Ansprechen eines neuen Kundenkreises etwa vergessen, den alten zu erhören? Doch schon vor dem ersten Kreisverkehr war klar, daß Ducati mit dem Motor alles richtig gemacht hat. Kurzer Zupfer am Gas und der 180er Hinterreifen trägt das weisse Pferd und seinen Reiter erhaben durch die Gassen von Bologna. Eine Droge, von der man sofort süchtig wird und die, wenn man mit ihr umgehen kann, erstens irrsinnig Spaß macht und zweitens erheblich weniger Schaden anrichtet, als die Hundert Millionen Tschik, die jährlich abgebrannt in den Lungen junger Leute landen. Vorausgesetzt, man läßt das Vorderrad nicht so unsanft wieder zu Boden fallen, wie ich.

Daß die Gabel dabei auf Anschlag geht, ist mir allerdings noch nie passiert. Ebenso nachgiebig reagierte sie in den Bremszonen, was bei harten Bremsmanövern auf Kosten der Präzision und Sportlichkeit ging. Hätte ich mir im Grundsetting nicht nur ein bisschen, sondern wesentlich härter gewünscht. Eine Supermoto muß fest ins Gericht gehen, sonst setzt' ich mich gleich auf eine Big Enduro. Man legte die 796er doch komfortabler aus, als anfangs angenommen. Äußerlich ist sie ja von der 1100er kaum zu unterscheiden. Die stilechten Merkmale der Hypermotard Baureihe wurden konsequent beibehalten: Underseat-Auspuff, pfeilförmige Rücklicht-Einheit mit Spoiler, Handguards mit Blinker, Einarmschwinge - und leider auch die unsäglich unpraktischen Spiegel. Auf die Frage, ob denn die Kundschaft zufrieden mit der Funktionalität der Klappohren gewesen sei, reagierte man kaum.


Ducati Rot nur gegen 300 Münzen extra.


Wir wissen nun lediglich, daß der gewöhnliche Hypermotard-Fahrer in der Stadt meist nur zu 50% und am Land zu 0% von den Schminkspiegeln Gebrauch macht. Zentralisierung der Massen, wahrscheinlich.

Die wahre Freude kommt von innen, nämlich vom Motor, der sauber nach oben dreht und die kleine Hyper in Sachen Spaß ganz dicht an die große schiebt. Jedem Wheelieorgiasten wärmstens zu empfehlen. Mit der 796 geht alles etwas einfacher und lockerer von der Hand, als mit der 1100er. Man kann entspannter fahren, muß nicht ständig auf der Hut sein. Die Kupplung ist leichtgängiger, die Bremse bestens zu dosieren, äußerst kraftvoll und dennoch weniger aggressiv als die der 1100 S.

Daß die Hypermotard 796 einen weiteren Einstieg in die Welt von Ducati bietet, bedeutet nicht, daß sie fortan das Einsteigerbike von Ducati ist. Das ist immer noch die Monster 696, die nach einer weniger kundigen Hand verlangt. Bei dem Preis werden sowieso nicht viele Twens beim Motorradhändler um eine 796 vorstellig werden. Knapper Zehner. Und größter Skandal: In rot mit 300 Münzen Aufpreis. Einzige Möglichkeit, die Anschaffungskosten wieder herein zu holen, ist über den Verbrauch, der laut Ducati im Normalfall bei knapp unter 5 Litern (4,8) liegt. Was es noch zu beweisen gilt. Für alle Nicht-Anfänger und Nicht-Wiedereinsteiger jedenfalls eine neue, spaßintensive und trotzdem umgängliche Alternative zu orangen SMs und Nakeds von Britannien bis Japan.

 

TECHNISCHE DATEN Ducati Hypermotard 796

MOTOR: Luftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor
BOHRUNG x HUB: 88 x 66 mm
HUBRAUM: 803 ccm
LEISTUNG: 57 kw ( 78 PS) bei 8.000 U/min.
STARTER: 77 Nm bei 6250 U/min.
VERDICHTUNG: 11:1
BENZINAUFBEREITUNG: Einspritzung 45mm
RAHMEN: Gitterrohrrahmen
SCHWINGE: Aluminium Einarmschwinge
GABEL: 43 mm Upside-Down
BREMSE VORNE: Doppelscheibenbremse 305 mm, Vierkolben-Festsättel
BREMSE HINTEN: Scheibenbremse 245 mm, Zweikolben-Festsattel
RÄDER: Alu Gussräder
BEREIFUNG: 120/70 ZR 17, 180/55 ZR 17
RADSTAND: 1455 mm
LENKKOPFWINKEL: 66 Grad
NACHLAUF: 100 mm
SITZHÖHE: 825 mm
TANKINHALT: 12,5 l
GEWICHT (trocken): 167 kg
FARBEN: weiss, rot
PREIS: mattschwarz/mattweiss: 9.995,- rot: 10.295,-

 

Interessante Links:

Text: kot
Bilder: Ducati

Fazit: Ducati Hypermotard 796 2009

dass die Hypermotard 796 einen weiteren Einstieg in die Welt von Ducati bietet, bedeutet nicht, dass sie fortan das Einsteigerbike von Ducati ist. Das ist immer noch die Monster 696, die nach einer weniger kundigen Hand verlangt. Bei dem Preis werden sowieso nicht viele Twens beim Motorradhändler um eine 796 vorstellig werden.


  • Geringes Gewicht
  • anständiges Fahrwerk
  • starker Motor
  • leichtgängigere Kupplung.
  • Drastisches Handling
  • kompromisloses, ultra-aggressives Bremswerk
  • hoher Preis

Bericht vom 04.11.2009 | 19.436 Aufrufe

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