Piaggio Liberty 125 Test

Brav wie ein Lämmchen schaut der Piaggio Liberty aus. Nicht ganz so brav ist er mit 125 ccm-Antrieb.

Piaggio Liberty 125

Topf oder Kropf

Piaggio Beverly 125: Zarter und wendiger Roller, der in der Stadt die beste Figur macht.


Heast, host a Angst?
Hä? Wer? Ich? Neben mir steht ein lässig aufgemotzter Bayern-Dreier, mit einem ebenso lässig aufgebretzelten Youngster: Warum fahrst denn in voller Lederpanier aufm Roller?
Ach so. Fast hätte ichs vergessen. Habe ja grade ein heisses Eisen zurückgebracht und als Commuting-Vehicle den herzigen kleinen Beverly ausgefasst. Bin damit schnellstens abgehauen, bevor einer die Kombination Racing-Einteiler mit allem Drum & Dran und dem Piaggio Liberty ablichten konnte.
Jedenfalls riskiert der Lässige neben mir eine dicke Lippe, raucht sich eine an und hält sie ebenso lässig auf dem Fenster, mir mehr oder weniger vor die Nase. Tschuldigung, zeigt er durchaus Manieren: I muass des machen, damits net stinkt im Auto, weil des mag die Mamma net. Den Tschick hau i dann eh ausse. Alles klar.
 


Ab die Post



Jede rote Ampelphase hat einmal ein Ende.
Diese auch. Bei Gelbgrün lasse ich die Linke auf der Bremse und zwirble mit der Rechten den 124 ccm-Murl auf. Bei ganz Grün: Ab die Post. Der Ölbrenner des Dreiers es ist ein 118d - neben mir heult auf, die Kupplung schleift, die Gummis kreischen. Aber es nützt nix. Die kleine Beverly ist trotzdem schneller weg von der Ampel. Bis der aufgeholt hat, winkt das nächste Rot. Und eine ansehnliche Doppelkolonne, zwischen deren Reihen ich durchzische.
 
Ganz schön kindisch ist das schon. Stimmt. Aber: Einerseits fordert der kleine Beverly das geradezu heraus, so zart und herzig und putzig er ausschaut, dass ihm niemand etwas zutraut. Andererseits wollte ich verhindern, dass ich den Tschick des Lässigen, ganz lässig rausgeschmissen, hätte fressen müssen. So wie man ohnehin andauernd bombardiert wird, von Papierln, Scheibenwaschwasser, Red Bull-Dosen und so weiter.
 
Ein bissl Chrom zum Aufputzen an Kühlergrill, Blinker-Einfassungen und Gabelholmen. Recht keckes Heck mit Klarglas-Blinkern garniert.
 
Es ist ja überhaupt immer dasselbe. Schummelt man sich mit einem Roller zwischen den Kolonnen vor, wird mindestens ein Lenkraddreher nervös. Oder verächtlich. Besonders mit so einem Gerät wie dem Piaggio Liberty, dens ja bisher nur als Fuffzigerl gegeben hat. Jetzt, mit Achteilliter-Herz, 10,5 PS und laut technischen Daten exakt 125 Kilo ist er eine ganz schön spritzige Kombination. Mit der man siehe oben auch recht fetten Blechkabinen den Auspuff zeigen kann, von Ampel zu Ampel, wenn man das Rollerli nicht mit allzu viel Lebendgewicht belastet. Wie etwa im Sozius-Betrieb. Aber zu zweit ist man rücksichtvollerweise ohnehin besser weniger frech.

So klein und zart


 
So klein und zart der Liberty ist, die Sitzbank ist für zwei schlanke Leute ausgelegt und gar nicht so unbequem. Wobei Sozius oder Sozia wirklich schlank sein sollten, oder zumindest anschmieg-freudig, denn der Sitzpolster in Reihe zwei ist recht kurz geschnitten. Dafür gibts ausklappbare Beifahrer-Fussrasten und sehr ordentliche Haltegriffe.
 
Was nicht unter die Sitzbank des Liberty passt, ist ein richtiger Helm. Die grossen Räder und der luftige Durchstieg lassen nicht Raum für mehr. Zur Not ginge sich unter dem Sattel ein kleines Topferl aus, so eins, wie mans ganz früher getragen hat oder ein Kapperl, wies der Gesetzgeber nicht erlaubt. Will man einen ordentlichen Hut trotzdem unter Dach & Fach bringen, bleibt nur die Lösung, ein Topcase zu montieren. Dann wirkt der zarte Grossradler möglicherweise optisch ein wenig hecklastig, was man aber mit der Montage eines Windschilds wieder ausgleichen kann.
 
Hineinstopfen kann man maximal einen Topferl-Helm
 
In der Frontschürze gibt es ein Staufach, in das allerdings nicht viel hineinpasst, dafür ist der Abdeckungs-Griff verchromt.

Das Sitzbank-Schloss sitzt hinten, auch der Tankstutzen ist nicht weit.

 
Apropos Sitzbank: Gewöhnlich öffnet man den Sattel mittels Schlüssel-Dreh am Zündschloss. Nicht beim Liberty. Da sitzt das Schloss mehr oder weniger am Popo, in die Bank integriert. Das sollte man sich einprägen, denn das kann andernfalls zu peinlichen Szenen an der Tankstelle führen, wenn man sucht und sucht und sucht, wie man reinkommt und wo man den Sprit einfüllt. Es sitzt nämlich der Tank-Einfüllstutzen auch unter der Sitzbank.

Zurück zum Thema Stauraum: Es gibt ein zweiteiliges Fach in der Frontschürze. Dort passt aber auch nicht allzu viel hinein. Etwa pro Seite ein Handschuh oder so ähnlich. Also: erst recht ein Grund, einen Kropf, pardon ein Topcase, für den Topf montieren. Eigentlich weg vom Thema Stauraum: Einen Taschenhalter gibts natürlich schon. Zu lang dürfen die Henkel von Sackerln und Packerln halt nicht sein, sonst schlenkern sie beim Abkurven heftig hin und her, was zu Lasten der sauberen Linie geht.
 
Was Piaggio trotz aller einfachen Bauart nicht übel hingekriegt hat, ist das Fahrwerk. Schon alleine dank der grossen Räder vorne 16-, hinten 14-Zöller bewirkt nicht jedes Asphalt-Loch, dass man auf Abwege gerät. Und auch sonst halten die Gabel und das linksseitig sitzende Federbein mehr, als sie zu versprechen scheinen. Kommt aber wohl immer auch aufs Fahrer-Gewicht an. Und die Bremsen sind dem Verhältnis Leistung (wiederum!) Gewicht brav angemessen.
 
Bei der Cockpit-Gestaltung haben sich die Designer nicht allzu viel Mühe gegeben. Schön ist der Auspuff-Endtopf im Prinzip nicht, aber hier hübsch verblendet.
Konventionelle Gabel mit verchromten Teil-Strümpfen. Vorne ein Sechzehn-, hinten ein Vierzehn-Zöller, das bleibt gut in der Spur, die Reifenbreite ist Marke Asphalt-Schneider.

Stichwort Gewicht & Design


 
Noch einmal Stichwort Gewicht: Serienmässig kommt der Liberty ausschliesslich mit einem Hauptständer daher. Seine 125 kg siehe oben lassen sich easy unter jeglichen Strassenneigungs-Zuständen raufhieven und wieder runterholen. Auch wenn man aufgrund einer gewissen Unterdurchschnittsgrösse mit verminderter Körper-Hebelwirkung durchs Leben gehen muss. Gut macht sich das Leichtgewicht auch bei widrigen Wetter-Umständen. Erstens bleiben die Knie trocken, aber das kann eh fast jeder Roller, zweitens schneidet er mit seinen Radeln Marke Asphaltschneider ziemlich ungerührt auch tiefe Lacken entzwei, ohne gleich aus der Spur-Fassung zu geraten.
 
In Punkto Design & Stil ist der Liberty bewusst einfach gehalten. Aber keineswegs unhübsch. Und nachdem die Italiener halt nicht so sind, gibts hier und da ein wenig Chrom, wie etwa an den Blinkereinfassungen, am Kühlergrill, an den Gabelholmen und an den Lenkerenden. Auch das Auspuff-Schutzblech ist recht hübsch. Bei der Gestaltung des Cockpits hat die Design-Abteilung der Einfallsreichtum offenbar verlassen. Immerhin werden die wichtigsten Informationen einigermassen gut ablesbar angezeit. Farblich dagegen ging man mit der akutellen Mode: Weiss ist nach wie vor ein Muss, Schwarz natürlich auch, und Dunkelblau kommt auch nicht schlecht rüber, Grau sowieso. An Zubehör offeriert Piaggio ausser dem bereits erwähnten Topcase und dem Windschild unter anderem auch ein Hotcover für die Knie - für die kalten Tage (und Nächte).

Piaggio Liberty 125 Technische Daten

Motorbauart Einzylinder-Viertakt, 2V, SOHC
Hubraum 124 ccm
Bohrung x Hub 57 x 48,6 mm
Leistung 7,7, kW (10,5 PS) bei 8.250 U/min
Max. Drehmoment 9,6 Nm bei 7.250 U/min
Starter Elektro
Getriebe CVT
Kupplung zentrifugal, trocken
Kühlung Luft
Rahmen / Schwinge Monoschleife
Federung vorne Telegabel
Federung hinten Monoshock, Vorspannung verstellbar
Bremse vorne Monoscheibe, 240 mm
Bremse hinten Trommel, 140 mm
Bereifung vorne / hinten 90/80-16 110/80-14
Länge / Breite 1.935 mm / 760 mm
Radstand 1.325 mm
Sitzhöhe 795 mm
Tankinhalt 7 Liter / 1,5 Liter Reserve
Gewicht 125 kg

Preis: 2.900 Euro


Text: Trixi Keckeis
Bilder: Trixi Keckeis, Piaggio

 
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Bericht vom 09.09.2009 | 132.137 Aufrufe

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