Ducati 848

848: Die neue Einstiegsdroge in die Welt der Superbikes von Ducati ist für die Roten aus Bologna wichtiger, als man denken würde.

Ducati 848 - Die Grazie

Ende der 1980er-Jahre war die 851 die bis dato schärfste für die Strasse zugelassene Sportlerin mit der Aufschrift Ducati auf dem Tank. Heute erinnern nur noch die Geschichtsbücher und vereinzelte Sammlerstücke an die Zeit, in der Raymond Roche auf der Primadonna im kantigen Gewand für Ducati den ersten Superbike-WM-Titel gewann (1990).

Ich träumte von weissen Pferden...

 

Schon erstaunlich: Mit dem, was vor 20 Jahren bei den Ducati-Superbikes punkto Hubraum noch Referenz war, begnügt sich heute gerade mal das, was mit der Kennung 848 als «kleine Schwester» des echten Superbikes der 1098 bezeichnet wird. Noch erstaunlicher ist die Entwicklung bei den Leistungszahlen: Die 851 wusste aus ihren 851ccm Hubraum gerade mal 102 PS zu schöpfen.
 

Die 848 donnert heute mit 2 ccm weniger 32 PS mehr auf die Prüfstandswalze (134 PS bei 10000/min). Die Kleine, die es ab sofort in Weiss und Rot für 15.995 Euro zu kaufen gibt, hat ganz nebenbei erwähnt sogar 21 PS mehr in petto als seinerzeit der Mythos 916. Die 1098 massiert ihre 190er-Walze mit 160 PS, und die 1098R mit 1200 Kubik wartet mit für einen V-Twin schon fast unverschämten 180 PS auf. Und das ist noch nicht das Ende...

 

Schweres Doppelerbe
 

Doch was genau ist die Ducati 848? In erster Linie und hier weicht Bologna bei einem sportlichen Vierventiler erstmals von einer langjährigen Tradition ab ist sie ein Vieh, dass ohne seriöse Ambitionen in Hinblick auf den Rennsport entwickelt wurde. Sprich, sie ist (noch) nicht der Ableger eines Renners, der in der Supersport-WM antreten wird.

Dies gilt insofern als sicher, als es zumindest mittelfristig sehr unwahrscheinlich ist, dass auch bei den Supersportlern das Reglement getreu den Wünschen aus Borgo Panigale angepasst wird. Dennoch ersetzt die 848 die 20 Kilo schwerere und 26 PS schwächere 749, deren Resultate in der Supersport-WM in den letzten Jahren klar hinter den Erwartungen lagen. Die 848 ist also eine leichte Sportlerin (168kg trocken) mit saftigem Drehmoment (96 Nm bei 8250/min) für den nicht überfordernden Einsatz auf der öffentlichen Strasse. Gleichzeitig ist sie aber ein High-End-Gerät, das höchst innovative technische Lösungen in sich vereint und auch auf der Rennpiste eine harte Währung darstellen soll. Doch dazu später mehr...

 

Aufmerksamen Ducatisti dürfte zudem aufgefallen sein, dass seit diesem Jahr in den Ducati-Prospekten keine Super-Sport-Modelle mehr abgebildet sind. Tatsächlich haben die Roten die 1974 lancierte und bis Anfang der 1990er-Jahre für sie vitale Traditionslinie mit den gutmütigen Zweiventilern nach 32 Jahren auf Ende 2006 mehr oder weniger stillschweigend eingestellt. Das heisst, dass die 848 mit Ausnahme der Sportclassic Sport 1000, die klar in einer anderen Liga spielt die einzige Einstiegsmöglichkeit in die Welt der sportlichen Ducati darstellt.

Kleiner Testastretta Evoluzione
Ob die 848 hält, was die Ingenieure versprechen, konnten wir auf der technisch sehr anspruchsvollen Rennstrecke im südspanischen Almeria überprüfen. Boxengasse, grüne Fahne, erster Gang, Gas... und hoppla! Die 848 hebt neckisch ihr Vorderrad. Sofort bekommt sie von mir über die mit unverändertem Kraftaufwand zu bedienende Kupplung im Ölbad und das knackig-präzis steuerbare Getriebe den Zweiten spendiert. Es ist das erste Mal in der Geschichte, dass Ducati bei einem Superbike von der Trockenkupplung absieht. Der Grund: Das neue Teil ist 1,8kg leichter als das Pendant in der 1098 und darüber hinaus langlebiger. Zurück auf die Piste: Die Reifen sind auf Betriebstemperatur, und ich biege in eine langgezogene Linkskurve ein. Tack! Schon bin ich mit dem Knie am Boden viel früher als bei der 1098. «Das kann doch nicht sein», denk ich mir, «die Geometrie müsste exakt jener der grossen Schwester entsprechen. Die haben doch den einen Zentimeter Höhenunterschied, der durch die Montage eines 5,5-Zoll- anstelle des 6-Zoll-Hinterrads der 1098 resultiert, über die ansonsten unveränderte Umlenkung des Federbeins kompensiert!

Haben sie, doch sie haben eben auch am Motor Hand angelegt. Dass die 848 gegenüber der 1098 viel flinker in die Ecken geht, liegt an den stark reduzierten rotierenden Massen.

 

 

Diät macht flink
 

Der 848 wurde die neuste Entwicklungsstufe des Testastretta Evoluzione verpasst: der gegenüber der 1098 bei Bohrung und Hub um 10 bzw. 6,2mm geschrumpfte und äusserst kompakte 90°-V2 mit vier desmodromisch gesteuerten Ventilen pro Zylinder und elliptischen Drosselklappen bzw. Saugrohren. Allein am Gehäuse konnten dank der Einführung eines Vakuum-Druckgussverfahrens drei Kilo eingespart werden.

Das Prinzip

Während das Gussmaterial in die Form gespritzt wird, wird gleichzeitig die Luft aus der Form gesaugt, sodass sich im Material keine Luftblasen bilden können. Der Vorteil: Es können deutlich kleinere Wandstärken bei gleicher Stabilität verarbeitet werden (bis zu drei Millimeter dünn). Hinzu kommen die Einsparungen bei den Bremsscheiben (320er statt 330er) und all jenen Motor-Bauteilen, die wegen des geringeren Hubraums leichter sind (Kolben, Ventile, Kurbelwelle etc.). Die 848 ist damit unter dem Strich fünf Kilo leichter als die 1098 und damit spürbar handlicher.

Die Kurve wird über die hinsichtlich Strasseneinsatz zahmer gewordene, deswegen aber nicht minder euphorisierende Bremsanlage vorn angebremst, dann wird abgewinkelt das handlichste aller Ducati-Superbikes lässt sich spielend ablegen und trifft die Linie mit kaum überbietbarer Präzision. Einmal in Schräglage, liegt sie zwar nicht ganz so stabil wie die Grosse, doch sie braucht sich vor der Konkurrenz namentlich den japanischen 600er-Supersportlern und der Triumph 675 Daytona nicht eine Sekunde zu verstecken. Mag sein, dass eine YZF-R6 noch einen Zacken flinker ist, doch es geht um den Kompromiss aus Handling und Stabilität. Und der passt bei der kleinen Desmo-Diva bestens. Vorbildlich auch das Vertrauen einflössende Feedback. Du spürst das Vorderrad sehr gut, und auch was die Grip-reserven hinten betrifft, bist du stets up to date. Nur die wirklich ganz schnellen unter den Journis flüsterten unter sich, dass man im Rennstreckenbetrieb für eine noch bessere Rückmeldung vorne die Zug- und die Druckstufe etwas zudrehen müsste.
 

Die Bremsstabilität passt das leichte Aufstellmoment beim Ankern in Schräglage ist nicht der Rede wert. Einzig das leichte Pumpen der Hinterhand beim harten Beschleunigen aus Kurven kann die 848 nicht ganz kaschieren.
 

Schönheit ist Heckansichtssache.

 

Piste: Nie unter 6500/min
 

Zur Motorleistung: Kurz Ducati hat die Hausaufgaben gemacht. Mit ihren 134 PS sollte die 848 problemlos mit den rund 125 PS von Triumph Daytona und Suzuki GSX-R 600 & Co. mithalten können.
Der kleine Testastretta drückt schon praktisch ab Standgas bei recht kurz übersetztem ersten Gang mit imposantem Knall ab und beflügelt mit seinem breiten Drehmoment-Plateau. In den Alpen und Voralpen hat man als 848-Treiber damit den Joker gezogen, soviel steht fest. Auf dem Rundkurs dagegen muss man die «Signorina», sofern es schnell und flüssig voran gehen soll, mit Drehzahl bei Laune halten sie also nicht unter die 6500/min-Marke fallen lassen. Ab 7000/min geht sie dann bei vorbildlich linearer Schubentfaltung bis zum relativ hart einsetzenden Begrenzer (bei 10800/min) richtig toll ab. Das verhältnismässig schmale nutzbare Drehzahlband bedingt dann je nach Pistenlayout eine positive Einstellung gegenüber Schaltmanövern.
Doch das Schönste an diesem Kraft-Würfel ist neben der immerzu sanften Gasannahme und der stets reproduzierbaren Leistungsentfaltung die leichte Zähmbarkeit: Die 134 PS sind gut im Zaum zu halten nicht überfordernd. Und das macht aus der 848 ein intuitiv und damit süffig fahrbares Sportgerät, das übrigens bestens mit den griffigen Pirelli Dragon Supercorsa Pro harmoniert.

Und der bei Ducati-Fans über alles geliebte Desmo-Sound? Das sämige und dumpfe Dröhnen ist geblieben. Speziell im tiefen Drehzahlbereich erinnert die Fanfare an die Kompositionen, die damals eine 851/888 von sich gab. Verstummt sind die kernig-knallenden Hochtöne der 1098 und natürlich das Serbeln und Knattern der Trockenkupplung.
 

Bremsen: Sowohl als auch
 

Noch ein Wort zu den Bremsen: Der Druckpunkt fällt und das ist gewollt deutlich weniger brillant auf als bei der 1098.

An sonnigen aber kalten November-Tagen wünscht man sich da nichts anderes. Die Verzögerung nimmt beruhigend linear zu und kann sich auf Wunsch durchaus zähnefletschend manifestieren. Auch hier gilt: ein gelungener Kompromiss sowohl für die Strasse wie für die Rennstrecke. Die Bremse hinten ist eher unterstützender Natur.

 

Ehrlich sein ist alles
 

In Anbetracht der ausgefeilten technischen Lösungen, die in der 848 stecken, ist der Preis von 15.995 Euro allemal gerechtfertigt. Doch wenn man bedenkt, dass die 848 inzwischen die einzige Einstiegsmöglichkeit in die aufregende Welt der Ducati-Hypersportler darstellt, so wirkt der Preis doch gesalzen. Da wird sich der eine oder andere Neo-Ducatista wohl die Frage stellen, ob er sich für 5000 Euro Aufpreis nicht gleich die 26 PS stärkere 1098 posten soll. Wenn er jedoch in sich geht und sich ehrlich zugestehen muss, dass ihn 160 PS und eine Bremsanlage, die wie ein Rudel Kampfhunde zubeisst, doch etwas überfordern könnten, so wird er mit der 848 mit Sicherheit besser bedient sein. Für die öffentliche Strasse ist die mit einem süffigen Prachtsmotor, einer vernünftigen Bremsanlage und zeitgemässen Handling-Eigenschaften gesegnete 848 auch so die rational bessere Wahl. Und für den gelegentlichen Ritt auf der Rennpiste ist die 848 ja auch bestens gewappnet. Apropos: Auch bei der 848 wurde das Data-Recording-Systems DDA (Ducati Data Analyzer) implementiert, mit dem sich für rund drei Stunden Daten wie Geschwindigkeit, Drehzahl, eingelegte Gangstufen und Öffnung der Drosselklappen in Prozent aufzeichnen lassen. Der dafür benötigte USB-Stick und die Viewer-Software sind als Zubehör erhältlich.

 
 

Sportliche Mittelklasse: Noch keine Pläne
 

Drei kurze Fragen an Marco Sairu, bei Ducati Project Leader für die 848.

  • Herr Sairu, wieso haben Sie sich für einen Hubraum von 848 ccm entschieden?
    Wir verfolgen damit dieselbe Strategie wie bei der 1098. Um bei den Superbikes mit den japanischen Tausender-Vierzylindern mithalten zu können, mussten wir einen 1100er-V2 bauen. Der 848-Testastretta Evoluzione ist so ausgerichtet, dass er gegen die Vierzylinder-Supersportler antreten kann. Wir sind zwar noch etwas schwerer als die Konkurrenz, doch das können wir mit unserem Drehmoment sehr gut kompensieren.
     

  • Wird es eine S- und eine R-Version der 848 geben?
    Nein, die 848 ist ein in sich abgeschlossenes Modell-Konzept. Somit ist auch kein kleineres Modell zum Beispiel mit einem Zweiventiler geplant. Aber wir werden mit Sicherheit den Markt beobachten und bei Bedarf reagieren.
     

  • Wie stehen die Chancen, dass wir die 848 in den nächsten Jahren in der Supersport-WM sehen werden?
    Wir haben die 848 nicht für den Einsatz in der Supersport-WM entwickelt. Also wird sie da auch nicht zu sehen sein. Unser letzter WM-Ableger, die 749R, war schon recht radikal für die Strasse. Bei der 848 haben wir nun ein Paket, das einen bedeutend grösseren Kundenkreis anspricht.

     

Ducati 848 - die Farben

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Ducati 848 - Details

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Nicht zerlegt, auseinandergenommen.

Ein Heck für die Geschichtsbücher.

Weil wir ja alle irgendwie Rennfahrer sind.

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Ducati 848 - Technische Daten

Bauart 2-Zylinder 90°-V Viertaktmotor, flüssigkeitsgekühlt, Desmodromik
Leistung 98.5 kW (134 PS)
Bohrung x Hub 94 x 61.2mm
Max. Drehmoment: 96 Nm bei 8250 U/min
Hubraum: 849 ccm
Verdichtung 12:1
EURO-Norm 3
Radstand 1430 mm
Sitzhöhe 830 mm
Bremsen vorne 320 mm Doppelscheibenbremse, Brembo
Bremsen hinten 245 mm Einscheibenbremse
Trockengewicht: 167 kg
Tankinhalt 15,5 l
 
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Text: Daniele Carrozza

Autor
karolettaLambretta

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Bericht vom 20.12.2007 | 41.668 Aufrufe

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