KOTs Kolumne #7

Haben wir ein Recht auf 300 PS und +300 km/h

Rückblicke, Ausblicke und Einblicke aus der Sicht des Chefredakteurs. So ungefähr wöchentlich. #7: Haben wir ein Recht auf 300 PS und +300 km/h? Ist Geschwindigkeit ein Verbrechen? Und wieviel Eigenverantwortung wird uns eigentlich noch zugetraut?

"Guns don't kill people, people do." Das ist Wahlspruch und Totschlagargument der amerikanischen Waffenlobby, die damit ihr im zweiten Zusatzartikel der amerikanischen Verfassung in Stein gemeißeltes Waffenrecht rechtfertigt. Waffen entscheiden schließlich nicht selbst, ob und wem sie Schaden zufügen, das kann nur der, der sie auch erschaffen hat, der Mensch. Demnach wäre laut NRA (National Rifle Association) eine friedliche Koexistenz von schwer aufmagazinierten Parteien durchaus möglich, so wie im Kalten Krieg am Rande zum WW3 eben, wichtig sei nur immer die Sicherung der Möglichkeit zur Selbstverteidigung - gegen Aggressoren aus dem Inland, aus dem Ausland oder aus dem Weltall.

Die USA trauen ihren Bürgern also grundsätzlich zu, eine oder mehrere Schusswaffen verantwortungsvoll zu verwahren und zu führen (die Gesetze der einzelnen Bundesstaaten sind unterschiedlich), auch wenn damit jedes Jahr nicht nur viele Unfälle passieren, sondern auch verdammt viele Verbrechen verübt werden. Strengere Waffengesetzte und/oder weniger Waffen bedeuten allerdings nicht unbedingt weniger Verletzte und Tote. Und genau hier möchte ich zu den Waffen der Straße überleiten, den rasend schnellen Sportmotorrädern, die seit Anbeginn der einspurigen Motorisierung für viele mediale Kontroversen und manche Katastrophe gesorgt haben.

Hayabusa 2.0

Am 3. Juni 2000 krönte sich die Suzuki Hayabusa mit einer offiziell gemessenen Geschwindigkeit von 305,7 bzw. 306,6 km/h zum schnellsten Straßenmotorrad der Welt. Gefahren wurde sie (abwechselnd) von zwei Italienern auf dem Hochgeschwindigkeitsoval von Nardo. Die Busa war zwar angeblich nicht getunt, aber länger übersetzt, sonst hätte sie die 300er Marke wohl nicht geknackt. Trotzdem fühlten sich einige harmoniebedürfige Sicherheitsapostel provoziert, diesem außer Kontrolle geratenen Wahnsinn ein Ende bereiten zu müssen. Dass diese Wichtel bis heute nicht müde geworden sind, zu versuchen, uns den Garaus zu machen, sieht man am Reglementierungswahn und an der Ungleichbehandlung von Motorradfahrern. 100 für Autos, 70 für Motorräder, man kennt das ja.

Streitfall Risiko. Geschwindigkeit = Gefahr!

Eineinhalb Jahrzehnte nach der Busa präsentiert Kawasaki ein kompressoraufgeladenes Monster mit (bis zu) 300 PS Spitzenleistung. Dass es damit keine längere Übersetzung mehr braucht, um weit über 300 km/h schnell zu fahren, dürfte jedem klar sein. Und die Sicherheitsapostel bringen sich wieder in Stellung. Vorerst handelt es sich bei der H2 R um eine reine, streng limitierte Racingversion, ihr müsst also keine Angst haben, liebe Kellenschwinger. Die straßenzugelassene Serienversion wird angeblich 225 PS haben (Anfang November wissen wir mehr) und da sich Japan nach der Hayabusa dazu entschlossen hat, kein Motorrad mehr zu bauen, das über 300 km/h läuft, muss sich schon überhaupt niemand in die Hose machen.

Weit über 300 km/h schnell?

Dass der Mensch Geschwindigkeit mit Gefahr verbindet, liegt vor allem daran, dass er nicht im Stande ist, sich aus eigener Kraft besonders schnell fortzubewegen. Nur wenn er von einem hohen Baum, einem Gebäude oder einer Felswand springt, kann er eine Geschwindigkeit von maximal 45 km/h ohne Zuhilfenahme mechanischer Hilfsmittel überschreiten. Ob man langsam, schnell oder zu schnell ist, hängt aber stark von der subjektiven Wahrnehmung ab und davon, wer wo und womit eine gewisse Geschwindigkeit erreicht. Wir nehmen eine bekannte Größe, zum Beispiel 100 km/h. Mit dem Rad, dem Motorrad, dem Auto, dem Flugzeug...? Als Jugendlicher, als Greis, als Normalo, als Profi..? Am Boden, am Wasser, in der Luft..? In der Stadt, auf der Autobahn, auf Asphalt, auf Schotter...? Ich glaube, das sollte für's Verständnis reichen. Es gibt also sehr viele Faktoren, die das Risiko, also die Wahrscheinlichkeit eines negativen Ausgangs eines Ereignisses, beeinflussen.

Motorcycles don't kill people und Geschwindigkeit an sich tut es auch nicht. Wir haben ein Recht auf Eigenverantwortung und wir haben ein Recht auf 300 PS in einem Motorrad. Wir suchen immer nach höheren Gründen und Mächten, aber wir sind der Grund und die Macht. Wichtig ist meiner Meinung nach nur, was man in der Birne hat, dann kann man auch ordentlich was zwischen den Beinen haben, sogar ein Motorrad, das andere als den reinen Wahnsinn betrachten. Aber auf diese Freiheit, zu können, wenn ich wollte, möchte ich beim Motorradfahren niemals verzichten müssen.

Autor

Bericht vom 16.10.2014 | 13.871 Aufrufe

Empfohlene Berichte

Pfeil links Pfeil rechts